Frieden in Kolumbien – im zweiten Anlauf

Bogotá · Erst sagte das Volk nein. Daher musste der Friedensvertrag mit der Farc-Guerilla neu verhandelt werden. Nun fragte Kolumbiens Präsident Santos lieber nur den Kongress. Und der sagte ganz klar: „Si“.

Nach über 50 Jahren Konflikt mit Zehntausenden Toten gibt es in Kolumbien einen Friedensschluss mit den Farc-Rebellen. Nach dem Senat billigte auch das Parlament in Bogotá im zweiten Anlauf das seit vier Jahren in Kuba ausgehandelte Abkommen, das nun in Kraft treten kann. Zunächst war der Vertrag Anfang Oktober vom Volk in einem Referendum abgelehnt worden, dann wurde es überarbeitet und dieses Mal nur dem Kongress zur Abstimmung vorgelegt. Damit muss Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos nicht mit leeren Händen zur Verleihung des Friedensnobelpreises am 10. Dezember in Oslo fahren.

Noch in diesem Jahr soll die Farc mit der Abgabe der Waffen beginnen. 130 Abgeordnete stimmten am Mittwochabend (Ortszeit) dafür, keiner mit Nein. Gegner, die zu milde Strafen für Farc-Verbrechen kritisieren, hatten allerdings nicht an der Abstimmung teilgenommen. Schon beim Votum im Senat gab es ein eindeutiges Ergebnis: 75:0. Auch hier hatten aber die Vertreter der Partei Centro Democrático von Ex-Präsident Álvaro Uribe die Abstimmung boykottiert. Santos dankte dem Kongress für den "historischen Rückhalt für die Hoffnung auf Frieden". Er hatte im Vorfeld betont, "künftige Generationen fordern, dass wir ihnen ein neues Land übergeben, ein Land in Frieden."

Wenn nun alles glattgeht, sollen die 5800 Kämpfer noch im Dezember mit der Abgabe der Waffen beginnen. Hunderte UN-Blauhelme und das Militär sollen den Prozess überwachen. Innerhalb von sechs Monaten soll die Abgabe abgeschlossen sein, die in 27 ländlichen Zonen stattfinden soll, wo die "Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia" ("Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens") zuletzt aktiv waren. Die Guerilla kann danach mit der Gründung einer Partei beginnen, um Ziele wie eine gerechtere Landverteilung und Unterstützung der armen Landbevölkerung zu verfolgen. Als Sozialleistung soll jeder bisherige Guerillakämpfer anfangs monatlich eine Unterstützung von rund 215 US-Dollar bekommen. Seit 2012 war in Havanna verhandelt worden.

Im jetzt überarbeiteten Vertrag wurden Strafregelungen zum Arrest verschärft. Zudem soll das Vermögen der Rebellen, die sich über Drogenhandel finanzierten, zur Entschädigung der Opfer herangezogen werden. Santos will nun mit der kleineren ELN-Guerilla ein ähnliches Abkommen schließen, um den Frieden komplett zu machen. Die Wirtschaft setzt durch einen Friedensschluss und die Befriedung wichtiger Regionen auf bis zu drei Prozent mehr Wachstum sowie auf einen großen Schub für den Tourismussektor.

Meinung:

Noch ein weiter Weg

Von SZ-Mitarbeiter Klaus Ehringfeld

Der Frieden ist nun Gesetz; endlich kann die Farc ihre Waffen abgeben. Ein großer und wichtiger Schritt für Kolumbien. Ein halbes Jahrhundert Leid, Tod und Vertreibung sollen der Vergangenheit angehören. Aber dieser Frieden hat viele Gegner. Ultrarechte Todesschwadronen, die keine Linke in der Politik dulden wollen. Politische Brandstifter wie Ex-Präsident Álvaro Uribe, der zum zivilen Widerstand aufgerufen hat. Und viele Unternehmer und Großgrundbesitzer, die gut von der Teilung in Kolumbien gelebt haben. Ob das Land wirklich zur Ruhe kommt, wird sich im Laufe des kommenden Jahres zeigen, wenn Übergangsjustiz, politische Integration und Waffenabgabe funktionieren. Dann gibt es Hoffnung auf wirklichen Frieden.

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