Nach Wutrede von AKK Saarland bleibt in Steingarts Visier

Saarbrücken · Der Ex-Handelsblatt-Herausgeber kontert im Streit mit AKK – sagt aber nicht alles.

Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU, 3. v. l) sorgte mit ihrer Widerrede auf Gabor Steingart (rechts) für Furore. Steingart konterte jetzt.

Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU, 3. v. l) sorgte mit ihrer Widerrede auf Gabor Steingart (rechts) für Furore. Steingart konterte jetzt.

Foto: dpa/Wolfgang Borrs

Fast vier Millionen ARD-Zuschauer erlebten am Sonntagabend, dass die neue CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer Attacke kann. Sie ging Ex-„Handelsblatt“­Herausgeber Gabor Steingart an, der die wirtschaftliche Situation des Saarlandes als „armselig“ bezeichnet hatte. AKK drehte auf, als habe sich Steingart in die Reihe der Saarland-Spötter vom Schlage Jan Böhmermanns eingereiht. Das Feuerwerk über Sparkurs, Strukturwandel, Uni-Politik und Sprachenstrategie, das die Ex-Ministerpräsidentin abbrannte, warf Steingart schier in den Sitz zurück.

Aber der streitbare Ex-„Spiegel“-Journalist, der das nüchterne „Handelsblatt“ binnen acht Jahren zum Meinungs-Organ machte, ließ die Abreibung der CDU-Politikerin nicht auf sich sitzen. Willkommen war ihm ein Faktencheck, den die Zeitung „Welt“ am Montag veröffentlichte. Gestern zitierte er ihn in seinem „Morning Briefing“, einem E-Mail-Newsletter, genüsslich. Demnach ist das Bruttoinlandsprodukt in Deutschland von 2011 bis 2017 um real 9,1 Prozent gestiegen, im Saarland um 0,4 Prozent geschrumpft. 2015 und 2016 seien die Investitionen im Saarland negativ gewesen. Und es habe auch noch im Boom neue Schulden gemacht. Wenn man die Fakten sehe, könne man AKK als „tapfere Frau noch immer bewundern, zum Beispiel für ihre Chuzpe, aber nicht mehr für ihre Wirtschaftskompetenz“.

Steingart bewirbt in seinem „Morning Briefing“ auch seinen Podcast, einen im Netz abrufbaren Radio-Beitrag, für den er gestern Heino Klingen, Hauptgeschäftsführer der Saar-IHK, interviewte. Der bestätigte dort die wenig erfreulichen Zahlen, wie sie auch die gestrige Bilanz des Statistischen Bundesamtes belegen (siehe Seite A 7). „Es ist in der Tat so, dass das Saarland über 25 Jahre gerechnet mit 0,7 Prozent jährlicher Wachstumsrate nur halb so schnell vorangekommen ist wie der Bund mit 1,4 Prozent“, sagt er. Steingart übergeht in seinem schriftlichen Briefing aber Klingens Erläuterungen: Das Saarland mit hoher Industriedichte und mit hoher Exportquote sei „davon abhängig, wie die Weltwirtschaft läuft“, sagt Klingen im Podcast. Und bei der „Investitionslücke“ stellt er dort klar, dass es hier um öffentliche Investitionen geht. Hier hinke man wegen des „Riesensparkurses“ zurück. Dafür sei die Neuverschuldung seit 2010 von über einer Milliarde Euro auf Null gedrückt worden.

Ein wichtiger Grund für geringes Wachstum, stellt Klingen im Podcast klar, ist der Bevölkerungsrückgang. Daher gilt aber auch: Pro Kopf ist das Inlandsprodukt im Saarland (Platz 9 bundesweit) höher als etwa in Rheinland-Pfalz. Auf dieses Detail hatte Klingen gegenüber Steingart hingewiesen, wie der IHK-Chef gestern der SZ sagte. Es fiel wohl Steingarts Kürzung des 20-minütigen Gesprächs zum Opfer. Dieser habe ohnehin „kein Verständnis für die besondere Lage des Saarlandes und den geleisteten Strukturwandel“ gezeigt. Auch dass die privaten Investitionen im Land über dem Bundesschnitt liegen, ging unter.

Die „Welt“ hatte in ihrer Bilanz für das Saarland auch miese Schienenanbindung und eine geringe Internet-Nutzung moniert, aber die starke Verbesserung des Landes in Bildungs-Rankings erwähnt. Gestern fragte die Zeitung bei Saar-Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) an. In einem Interview, das dort heute erscheint, argumentiert Hans ähnlich wie Klingen und verweist darauf, dass das Saarland weniger „diversifiziert“ sei, Effekte etwa im Autoexport stärker ein­schlügen als in großen Ländern. Es stoße vielen Menschen auf, wenn nicht gewürdigt werde, „in welch beispiellosem Prozess“ sich das Saarland „nach oben gearbeitet“ habe – „gerade weil es ein gesamtgesellschaftlicher Prozess war“.

Wäre nicht verwunderlich, würde bald auch Hans im „Morning Briefing“ von Steingart auftauchen.

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