Streit um Merkels Dachau-Besuch im Wahlkampf

Berlin/München · Einen Monat vor der Bundestagswahl besuchte Kanzlerin Merkel gestern die KZ-Gedenkstätte Dachau – zwischen zwei Wahlkampfreden. Geschmacklos, wettern die Grünen. Der Zentralrat der Juden nimmt Merkel in Schutz.

Noch nie besuchte ein deutscher Regierungschef offiziell das Konzentrationslager Dachau. Kanzlerin Angela Merkel tat es gestern - ausgerechnet mitten im Wahlkampf und zwischen zwei Auftritten in Erlangen bei Nürnberg und in der Stadt Dachau. Was für heftigen Konfliktstoff sorgte. "Wer es ernst mit dem Gedenken an einem solchen Ort des Grauens meint, der macht einen solchen Besuch garantiert nicht im Wahlkampf", wetterte die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast in der "Leipziger Volkszeitung". Sie nannte es eine "geschmacklose und unmögliche Kombination", dass Merkel nach ihrem KZ-Besuch eine Wahlkampfrede im Bierzelt hielt. Auch Historiker Wolfgang Benz sparte nicht an Kritik. Im Bayerischen Rundfunk sagte er, es wirke beiläufig, "wenn man, kurz bevor man dann ins Festzelt zum Wahlkampf geht, noch den Kranz niederlegt und Betroffenheit äußert".

Der Termin hatte wohl schon länger festgestanden: Die Kanzlerin war im vergangenen Herbst vom Holocaust-Überlebenden Max Mannheimer (93) eingeladen worden. "Für mich ist es ein sehr besonderer Moment", sagte Merkel, die bei ihrem Besuch mit Holocaust-Überlebenden zusammentraf. "Die Erin nerung an diese Schicksale erfüllt mich mit tiefer Trauer und Scham." Der Zentralrat der Juden in Deutschland verteidigte die Regierungschefin: "Mit Frau Merkel besucht immerhin erstmals ein deutscher Kanzler die KZ-Gedenkstätte in Dachau", sagte der Zentralratsvorsitzende Dieter Graumann zu "Spiegel Online". Er werde auf jeden Fall der letzte Mensch im Land sein, der einen Besuch der Kanzlerin in Dachau kritisiere. Graumann: "Was ihren Auftritt in einem CSU-Bierzelt angeht - ich bin auch in diesem Fall dagegen, dass wir uns jetzt in eine Meckerecke stellen. Denn wenn die Kanzlerin nur den Wahlkampfauftritt in Dachau wahrgenommen hätte, hätte man sie wiederum dafür kritisieren können, dass sie nicht die KZ-Gedenkstätte besucht hat."

Auch die Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, sagte, es sei "lobenswert, dass die Kanzlerin die Gelegenheit ihres Besuchs in der Region wahrnimmt, um die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers zu besuchen".

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