Streit um Aufnahme von Guantanamo-Häftlingen

Brüssel/Straßburg. Opfer von Verhörlagern, die die USA innerhalb der EU betrieben haben, sollen entschädigt werden. Dies hat der Vizepräsident der Kommission, der für Justizfragen zuständige Franzose Jacques Barrot, gestern vor dem Europäischen Parlament überraschend angekündigt und damit erstmals die Existenz solcher Lager auf europäischem Boden nicht mehr bestritten

 Blick in das Gefangenenlager auf dem kubanischen US-Stützpunkt Guantanamo. Foto: dpa

Blick in das Gefangenenlager auf dem kubanischen US-Stützpunkt Guantanamo. Foto: dpa

Brüssel/Straßburg. Opfer von Verhörlagern, die die USA innerhalb der EU betrieben haben, sollen entschädigt werden. Dies hat der Vizepräsident der Kommission, der für Justizfragen zuständige Franzose Jacques Barrot, gestern vor dem Europäischen Parlament überraschend angekündigt und damit erstmals die Existenz solcher Lager auf europäischem Boden nicht mehr bestritten. Innerhalb des ersten Halbjahres werde Brüssel einen neuen Bericht vorlegen, in dem die 27 Mitgliedstaaten ihre Erkenntnisse zu den Lagern offenlegen, sagte Barrot. Inzwischen hätten auch die kritisierten Regierungen Polens und Rumäniens zugesagt, ihre bisherigen Aussagen, mit denen der Betrieb solcher US-Verhörzentren stets abgelehnt wurde, zu "ergänzen".

Der tschechische Europaminister Alexandr Vondra, zugleich Vertreter der EU-Ratspräsidentschaft, sagte darüberhinaus zu, Europa werde sich an der Überprüfung der so genannten CIA-Flüge durch die USA beteiligen, um zu verhindern, dass künftig weiter Gefangene "zu Befragungen unter Folter" ins Ausland gebracht würden. Der zuständige Ausschuss des Parlamentes hatte zuvor scharfe Kritik an den EU-Regierungen geübt, die jedes Wissen über solche Flüge von Terror-Verdächtigen abstritten. Tatsächlich würden aber "vertrauliche Quellen" bestätigen, dass die Mitgliedstaaten Kenntnis von außerordentlichen "Überstellungen" hatten. Die offiziellen Gesprächspartner, so wurde im Parlament in seltener Offenheit betont, hätten "diesbezüglich falsche Angaben" gemacht. Für Aufregung sorgte im Plenum ein US-Bericht, demzufolge die Transporte von Gefangenen durch den amerikanischen Geheimdienst CIA in ausländische Verhörzentren nach wie vor anhält. "Wir dürfen nicht schweigen und uns zurückhalten", forderte der Vorsitzende der liberalen Fraktion, Graham Watson. "Die Mitgliedstaaten können dies nicht länger dulden." Während die Europa-Abgeordneten einhellig den Beschluss des neuen amerikanischen Präsidenten, das Gefangenen-Lager Guantanamo auf Kuba zu schließen, lobten, kam es über die Frage, ob die EU unschuldig Inhaftierte aufnehmen soll, zu einem offenen Streit. Der stellvertretende Vorsitzende der EVP-Fraktion, Hartmut Nassauer (CDU), kündigte an, dass die christlich-konservativen Volksvertreter heute die Einreise ehemaliger Häftlinge ablehnen würden. "Die Sicherheit der europäischen Bevölkerung lässt es nicht zu, dass man gefährlichen Personen den Zutritt zu EU-Staaten verschafft", sagte er. Dagegen appellierte der Chef der sozialdemokratischen Parlamentsfraktion, Martin Schulz, an die Mitgliedstaaten, "Obama zu helfen". Guantanamo sei ein "Ort der Schande". Wenn die neue US-Regierung nun auf den "Pfad der Menschenrechte" zurückkehre und das Gefängnis auf Kuba schließe, müsse Europa helfen. Trotz dieser Meinungsverschiedenheiten wird sich die Mehrheit des Parlaments heute für eine Entschließung aussprechen, mit der die Aufnahme von ehemaligen Guantanamo-Insassen begrüßt wird. Voraussetzung sei, dass die Betroffenen nachweisbar unschuldig sind. Jeder Fall solle einzeln geprüft und die letzte Entscheidung Sache des einzelnen Aufnahmelandes sein. "Die Sicherheit der Bevölkerung lässt es nicht zu, dass man gefährlichen Personen den Zutritt zu EU-Staaten verschafft."

Europapolitiker

Hartmut Nassauer (CDU)

 Blick in das Gefangenenlager auf dem kubanischen US-Stützpunkt Guantanamo. Foto: dpa

Blick in das Gefangenenlager auf dem kubanischen US-Stützpunkt Guantanamo. Foto: dpa

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