Soziologin warnt Schulen bei Antisemitismus oft überfordert

Berlin · Soziologin warnt davor, dass Lehrer Diffamierungen als „kindischen Unfug“ bagatellisieren würden.

An deutschen Schulen kommt es nach Expertenangaben wiederholt zu antisemitischen Übergriffen – Lehrer erkennen Antisemitismus jedoch oft nicht. Das sagte die Soziologin Julia Bernstein im Interview des Mediendienstes Integration. Sie bezog sich dabei auf ihre unveröffentlichte Studie, zu der sie jüdische Schüler, Eltern und Lehrer befragt hatte.

Beleidigungen mit antisemitischem Hintergrund würden von Lehrern oft für „kindischen Unfug“ gehalten und daher bagatellisiert. So werde auf Beschwerden jüdischer Schüler über beispielsweise aus Büroklammern zusammengesetzten Hakenkreuzen oft erwidert, die Schüler „sollen nicht übertreiben, das sei nicht antisemitisch oder nazistisch gemeint“.

Lehrer seien oft überfordert und wüssten nicht, dass es jüdische Kinder in der Klasse gebe. Diese verheimlichten häufig ihren Glauben aus Angst vor Antisemitismus. Die Beleidigungen könnten dazu führen, dass die Betroffenen verinnerlichten, dass Jude zu sein schlecht sei. „Das erschüttert das Grundvertrauen vieler Betroffener, Teil dieser Gesellschaft zu sein“, sagte Bernstein. Zudem hätten Schulen sehr häufig Angst, ihren Ruf zu ruinieren, wenn Antisemitismus-Vorwürfe bekannt würden, und seien deshalb oft nicht bereit, Konsequenzen zu ziehen.

Häufig sei der Antisemitismus auf Israel bezogen. Die Schüler würden dann zu Vertretern des israelischen Staates gemacht und pauschal angegriffen. In diesem Fall könnten Lehrer oft nicht „zwischen legitimer Kritik an bestimmten Akteuren in Israel und antisemitisch motivierter Kritik am Staat Israel insgesamt unterscheiden“. Das erschwere das Erkennen antisemitisch codierter Aussagen und lasse aggressive und pauschale Äußerungen gegen Israel als legitime Meinung zu.

Insgesamt sei Antisemitismus schon lange an deutschen Schulen verbreitet. Er sei „ein gesamtgesellschaftliches Phänomen, das bei allen Gruppen zu finden ist“, so Bernstein. Lehrer hätten jedoch häufig nicht gelernt, mit diesem Problem umzugehen. Bernstein verwies auf Informationsmaterial zu Antisemitismus und die Möglichkeit, Experten einzuladen, um Vorurteile abzubauen und zu zeigen, dass Juden „normale Menschen genau wie wir“ seien.

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