So war der Wahlkampf Furioser Start, spannungsloser Verlauf

Von Werner Kolhoff

Der Start: Furios bei der SPD. Der „Schulz-Hype“ katapultierte den Herausforderer nach oben; die Sozialdemokraten waren euphorisiert. Wechsel lag in der Luft. Bei der Union genau das gegenteilige Bild. Nur zögerlich hatte Angela Merkel im Dezember ihre Kandidatur erklärt, desaströs verlief Anfang Februar eine gemeinsame Pressekonferenz mit Horst Seehofer (CSU). Keinen guten Start erwischten auch die Grünen mit ihren zwei auf Schwarz-Grün setzenden Spitzenkandidaten. Denn anfangs standen die Zeichen auf Rot-Rot-Grün. Die Linken konnten sich personell nicht entscheiden und präsentierten ein Viererteam. Die AfD startete mit der Entmachtung von Parteichefin Frauke Petry auf dem Kölner Parteitag ins Wahljahr, also mit einem Riss. Außer der SPD wirkte zu Beginn nur die FDP richtig stabil.

Der erste Knick: Die Wahlen im Saarland, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen beendeten Schulz’ Höhenflug abrupt. Die Frage nach der stärksten Partei war de facto im Mai entschieden. Und nicht nur das: Das rot-rot-grüne Modell erwies sich für die SPD als Pleite – damit entfiel eine Machtoption. An der Küste entwickelte die Union dafür mit „Jamaika“ für sich eine neue Regierungsmöglichkeit. Merkel konnte entspannt in Urlaub fahren.

Die Themen: Es gab in diesem Wahlkampf kein Großthema, allenfalls eine „Weiter so“-Stimmung. Wirtschaftlich steht Deutschland gut da, was die CDU auf ihren Wahlplakaten auch genüsslich zelebrierte. Der Versuch der SPD, einen Wahlkampf um die soziale Gerechtigkeit zu führen, verfing nicht. Zuletzt versuchte Schulz in immer hektischerer Folge neue Akzente zu setzen: Familie, Rüstungsausgaben, Pflege. Einziges Thema, das etwas herausragte, war der Diesel, wovon aber keine Partei profitierte. Die Flüchtlingsproblematik spielte nur eine Nebenrolle.

Die Kampagnen: Die ganze Werbung dient ja nur dazu, darauf aufmerksam zu machen, dass Wahl ist und die eigenen Anhänger zu mobilisieren. Das ist zwei Parteien hervorragend gelungen: der FDP mit einer stylischen Kampagne um Christian Lindner. Und der AfD mit gezielten Tabubrüchen. Gaulands kalkulierte Ausrutscher, Weidels Auszug aus einer TV-Debatte – die Rechtspopulisten wollten Schlagzeilen machen und bekamen sie auch. Die anderen Parteien führten dagegen relativ biedere Kampagnen durch.

Die Medien: Obwohl es keine echte Konfrontation gab, bemühten sich die Medien mit viel Kreativität Programme und Inhalte zu vermitteln. Wahrscheinlich fand in den Zeitungen mehr Wahlkampf statt  als in der Realität. Die Fernsehsender brachten spannende Formate wie Wahl-Arenen und „Town-Hall-Meetings“, bei denen die Kandidaten sich den Fragen normaler Bürger stellen mussten. Das waren Highlights. Das TV-Duell Merkel gegen Schulz hingegen enttäuschte total. Ein derart eingezwängtes Format braucht niemand.

Die Ausrutscher: Die AfD klagte über viele zerstörte Wahlplakate. Allerdings sorgten ihre Anhänger mit Pfiffen und Tomatenwürfen vor allem gegen Merkel für den Tiefpunkt des Wahlkampfes. Die Aktionen waren offenbar straff organisiert. Die befürchteten Fake-News-Kampagnen im Netz blieben dagegen weitgehend aus. Auch kleine Pannen passierten, etwa die einem Bekannten fröhlich zuwinkende SPD-Abgeordnete Eva Högl im TV-Bild hinter Schulz, der gerade den Terroropfern von Barcelona kondolierte. Oder Peter Altmaiers (CDU) Empfehlung, lieber gar nicht zu wählen als AfD.

Der zweite Knick: Die Entscheidung der Unentschiedenen bringt in den letzten Tagen vor der Wahl oft noch einen Swing, der alles verändern kann. Doch diesmal ist er laut den Umfragen anders ausgefallen, als jedenfalls Schulz es sich erhofft hatte. Die SPD bewegt sich nicht nach oben, sondern verliert weiter. Allerdings verlieren auch Union und Grüne. Nur FDP, AfD und Linke legen zu und kämpfen um Platz drei.

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