Wahlen in der Türkei So funktioniert das neue Präsidialsystem

Istanbul · Im April vergangenen Jahres stimmten die Türken mit einer knappen Mehrheit in einem Referendum für das von Staatschef Recep Tayyip Erdogan angestrebte Präsidialsystem.

Die Umsetzung des Systems begann schrittweise nach der Abstimmung. Mit den gestrigen Wahlen ist der Übergang in das neue System abgeschlossen. Die wichtigsten Änderungen im Überblick:

Bereits umgesetzt: Der Präsident darf einer Partei angehören: Erdogan trat im Mai 2017 erneut der von ihm mitbegründeten islamisch-konservativen Regierungspartei AKP bei. Im selben Monat ließ er sich wieder zum Parteivorsitzenden wählen.

Der Präsident hat mehr Einfluss auf die Justiz: Im Rat der Richter und Staatsanwälte kann er vier der 13 Mitglieder bestimmen, das Parlament sieben weitere. Feste Mitglieder bleiben der Justizminister und sein Staatssekretär, die der Präsident ebenfalls auswählt. Das Gremium ist für die Ernennung von Richtern und Staatsanwälten zuständig. Die Militärgerichte wurden abgeschafft.

Umsetzung mit den Wahlen: Parlament und Präsident werden am selben Tag für die Dauer von fünf Jahren vom Volk gewählt. Beide Wahlen waren eigentlich für November 2019 geplant, Erdogan hat sie aber vorziehen lassen. Die zeitgleiche Wahl erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Partei des jeweiligen Präsidenten über eine Mehrheit im Parlament verfügt.

Der Präsident wird künftig nicht nur Staats-, sondern auch Regierungschef. Das Amt des Ministerpräsidenten entfällt. Er wird nicht mehr vom Parlamentspräsidenten, sondern von einem Vizepräsidenten vertreten. Der Präsident ist für die Ernennung und Absetzung einer von ihm selbst bestimmten Anzahl Vizepräsidenten und Minister sowie aller hochrangigen Staatsbeamten zuständig. Das Parlament hat kein Mitspracherecht. Mitglieder des Kabinetts dürfen nicht Abgeordnete sein. Wer für die Präsidentschaft kandidiert, darf sich nicht zugleich um ein Abgeordnetenmandat bewerben.

Der Präsident kann in Bereichen, die die Exekutive betreffen, Dekrete mit Gesetzeskraft erlassen. Eine Zustimmung durch das Parlament ist nicht nötig. Dekrete werden unwirksam, falls das Parlament zum jeweiligen Bereich ein Gesetz verabschiedet. Präsidiale Dekrete dürfen Verfassungsrechte nicht einschränken und schon gesetzlich bestimmte Regelungen nicht betreffen. Gesetze darf – bis auf den Haushaltsentwurf – nur noch das Parlament einbringen.

Neuwahlen können sowohl das Parlament als auch der Präsident auslösen, im Parlament ist dafür eine Dreifünftelmehrheit notwendig. In beiden Fällen werden sowohl das Parlament als auch der Präsident zum gleichen Zeitpunkt neu gewählt.

Die Amtszeiten des Präsidenten bleiben auf zwei beschränkt. Die AKP-Regierung hat aber eine Hintertür eingebaut: Sollte das Parlament in der zweiten Präsidenten-Amtsperiode eine Neuwahl beschließen, kann der Präsident wieder kandidieren.

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