Separatisten stecken ihr Feld ab

Kiew/Donezk · Die prorussischen Separatisten in der Ost-Ukraine sehen sich militärisch im Aufwind. Dass sie nun einen Sonderstatus für das Gebiet fordern, lässt aufhorchen. Ist das ein Kurswechsel?

Auf das Reizwort "Unabhängigkeit für die Ostukraine " verzichten die prorussischen Separatisten nach sechsmonatigen Kämpfen plötzlich. Dass die Führungen der nicht anerkannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk bei ihren Gesprächen mit der internationalen Ukraine-Kontaktgruppe in Minsk jetzt auf einmal bescheiden nur noch einen Sonderstatus verlangen, überrascht auch die prowestliche Führung in Kiew . Doch Zugeständnisse an die Separatisten sind wohl weiter nicht zu erwarten.

In der Ukraine ist der Wahlkampf voll entbrannt - und jedes Zugehen auf den Staatsfeind vor der Abstimmung über das Parlament am 26. Oktober käme einem Landesverrat gleich, heißt es in Kiewer Kommentaren zum Vorstoß. Immerhin aber will die Kontaktgruppe aus Vertretern Kiews, Moskaus und der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa bis zur neuen Zusammenkunft am Freitag die Vorschläge sichten. Die von Moskau unterstützten Aufständischen verlangen ein Ende der Militäroperation, freie Kommunalwahlen und einen offiziellen Status für die russische Sprache sowie das Recht, Staatsanwälte und Richter selbst zu bestimmen. Der Forderungskatalog, heißt es in Kommentaren, sei so weitreichend, das es am Ende doch um Unabhängigkeitsrechte gehe. Die Separatisten verlangen zudem eigene bewaffnete Kräfte. Und sie wollen wirtschaftlich mit der von Russland dominierten Zollunion zusammenarbeiten, die die Ukraine ablehnt. Zuvor hatte Kremlchef Wladimir Putin Gespräche über den staatlichen Status des umkämpften Südostens verlangt - und über "Fragen der politischen Organisation der Gesellschaft".

Experten in Kiew sehen in den Vorschlägen die Handschrift Putins, eine Falle. Jedes Zugeständnis an die prorussischen Kräfte würde Präsident Petro Poroschenko als Verrat angelastet, mit dem "er sein Grab schaufelt", meint der Politologe Dmitri Ponarmatschuk. Die in Donezk und Lugansk im Mai abgehaltenen Volksabstimmungen über die Unabhängigkeit "werden niemals anerkannt". Beobachter in Moskau sehen im Vorstoß ein Kompromissangebot für Poroschenko. Angesichts der kritischen Situation der ukrainischen Armee und mit Blick auf die zugunsten der Separatisten veränderte Lage an der Front habe der Staatschef so die Chance, sein Gesicht zu wahren, meint der Akademiker Alexej Arbatow in der "Wedomosti".

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HintergrundBerichte über eine mögliche Drohung Wladimir Putins im Ukraine-Konflikt haben in Moskau für Irritationen gesorgt. Im Gespräch mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso soll der Kremlchef gesagt haben, wenn er wolle, könne Russland Kiew in zwei Wochen einnehmen. Präsidentenberater Juri Uschakow kritisierte gestern, sollte Barroso Putin wirklich so zitiert haben, widerspreche dies den diplomatischen Gepflogenheiten. "Ob diese Worte gefallen sind oder nicht, ich glaube, dass das Zitat aus dem Zusammenhang gerissen wurde und eine vollständig andere Bedeutung hatte", sagte Uschakow. dpa

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