Asylentscheidungen Seehofers Kampf mit der Asylbehörde

Berlin · Alles wird gut: Das war lange die Devise der Bundesregierung, wenn es um Probleme beim Flüchtlingsamt ging. Damit ist jetzt Schluss.

() Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) will nicht, dass die Fehler an ihm hängen bleiben. Deshalb geht er jetzt in die Offensive. Am Mittwoch verfügt er, dass in Bremen ab sofort erst einmal keine Asylanträge mehr bearbeitet werden dürfen. Künftig sollen sich mehr Mitarbeiter der Nürnberger Zentrale des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) um Qualitätssicherung kümmern. Morgen bekommt die Bremer Bamf-Niederlassung Besuch aus Seehofers Ministerium. Nächsten Dienstag stellt sich der Bundesinnenminister den Fragen der Bundestagsabgeordneten – in einer Sondersitzung des Innenausschusses.

Dass Seehofer durchgreifen kann, wenn er den Kopf für Beamte hinhalten soll, die ihren Job womöglich nicht richtig machen, hat er schon in seiner Zeit als Bundesgesundheitsminister gezeigt. Als Konsequenz aus dem Skandal um mit HIV kontaminierte Blutprodukte zerschlug er Ende 1993 das Bundesgesundheitsamt.

Als die Affäre um unrechtmäßige Asylentscheide aus Bremen losgeht, reagieren die Behördenvertreter erst einmal beschwichtigend. Die Bamf-Leitung verweist auf neue Maßnahmen zur Qualitätssicherung, die im September 2017 eingeführt wurden. Die Botschaft von Behörden-Präsidentin Jutta Cordt: Keine Sorge, wir haben jetzt alles im Griff. Im Innenausschuss des Bundestages gibt sie wortreiche Antworten, die viele Abgeordnete nicht überzeugen. Wohl auch deshalb muss sie nächsten Dienstag dort noch einmal vorsprechen – diesmal zusammen mit Seehofer.

Auch im Innenministerium ist man erst einmal bereit zu glauben, dass die Entscheidungspraxis in der Bremer Bamf-Außenstelle ein Einzelfall ist. Dort sollen Mitarbeiter zwischen 2013 und 2016 mindestens 1200 Menschen ohne ausreichende rechtliche Grundlage Asyl gewährt haben. In der Folge werden gegen die Bremer Bamf-Chefin und weitere Verdächtige wegen Bestechlichkeit und bandenmäßiger Verleitung zur missbräuchlichen Asylantrag­stellung Ermittlungen eingeleitet. Das Ministerium glaubt zunächst, dass die Vorgänge keine Rückschlüsse auf die Zustände in anderen Abteilungen der Behörde zulassen. Doch die Zweifel wachsen – auch durch interne Hinweise von Bamf-Mitarbeitern.

Am Freitag vergangener Woche kündigt Cordt an, in den kommenden drei Monaten würden 70 Mitarbeiter abgestellt, um alle positiven Bescheide der Bremer Außenstelle seit 2000 zu überprüfen. Auch die Arbeit weiterer Bamf-Büros mit auffälligen Anerkennungszahlen in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Brandenburg, Hessen und Rheinland-Pfalz soll beleuchtet werden.

Doch Seehofer reicht das nicht. Fünf Tage nach Cordts Pressekonferenz ordnet er an, dass im Bremer Ankunftszentrum bis zur vollständigen Aufklärung der Vorfälle keine Asylentscheidungen mehr getroffen werden dürfen. Begründet wird diese Entscheidung vom Ministerium damit, dass die Maßnahmen zur Qualitätssicherung in Bremen offensichtlich nicht flächendeckend beachtet wurden. Dazu gehört etwa das Vier-Augen-Prinzip. Damit soll verhindert werden, dass jemand in Missachtung der Dienstvorschriften eigenmächtige Entscheidungen trifft.

Und was ist mit den Asylbewerbern, von denen einige womöglich zu Unrecht Schutz erhalten haben? Der Parlamentarische Staatssekretär Stephan Mayer (CSU) hat schon im April angekündigt, dass ihre Bescheide „soweit rechtlich möglich“ aufgehoben werden sollen. Nicht möglich ist es auf jeden Fall, jetzt noch Asylbewerber, die 2015 oder 2016 kamen, nach den Dublin-Regeln in ein anderes EU-Land zurückzuschicken. Denn in diesen Fällen hat Deutschland nur drei Monate Zeit, um einen anderen Staat, in dem sich der Asylbewerber zuvor aufgehalten hatte, zur Übernahme von Antragsteller und Verfahren aufzufordern.

Die Bamf-Revision hat sich zuletzt mehr als 4000 Verfahren angeschaut, bei denen die Antragsteller von zwei „verdächtig erscheinenden“ Rechtsanwaltskanzleien vertreten wurden. In 73 Prozent der Verfahren, die in Bremen positiv entschieden wurden, fanden die Prüfer Vorgänge, die ihnen nicht plausibel erschienen. In rund 40 Prozent der in Bremen entschiedenen Verfahren wäre aus ihrer Sicht ein Widerruf oder die Rücknahme durch einen anderen Staat angezeigt. Bei Verfahren, die von diesen Rechtsanwälten an Bamf-Außenstellen außerhalb von Bremen herangetragen wurden, fanden die Prüfer in 46 Prozent „Inplausibilitäten“.

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