Schulz' mögliche Erben

Brüssel · Um die Nachfolge für den mächtigen deutschen EU-Parlamentspräsidenten Martin Schulz gab es in den vergangenen Wochen gehöriges Gerangel. Heute nun schreiten die Abgeordneten in Straßburg zur Wahl.

Im EU-Parlament geht eine Ära zu Ende. Martin Schulz wird seinen Posten als Parlamentspräsident abgeben. Wer folgt, ist unklar. Klar ist: Schulz hat die Wahrnehmung des Parlaments in der Öffentlichkeit verändert. Wann immer er konnte, nutzte er die Gelegenheit, um die Aufmerksamkeit der Medien zu gewinnen.

Für den 61-Jährigen war die Plenarwoche im Dezember eine besondere: die Woche seiner letzten thematischen Pressekonferenz und seiner Abschiedsrede vor den Abgeordneten. Schulz ist fokussiert wie immer. Etwas Abschiedsschmerz ist dennoch erkennbar.

Schulz verließ die Schule ohne Abitur - heute spricht er Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch und Niederländisch. Diese Kompetenzen könnten dem SPD-Politiker nach seinem Wechsel in die deutsche Hauptstadt zugutekommen, etwa als Außenminister. Spekulationen, der SPD-Politiker könne Frank-Walter Steinmeier nach dessen Wechsel ins Schloss Bellevue beerben, machen die Runde.

Schulz genießt Ansehen in Brüssel . Auch wenn nicht alle Politiker immer glücklich mit seiner Art der Amtsführung waren. Manche hätten sich einen neutraleren Parlamentspräsidenten gewünscht; einen, der mehr koordiniert und seine Position weniger für die eigene Politik nutzt. Schulz jedoch mischte sich ein. Um das Handelsabkommen Ceta zu retten, lud er die kanadische Handelsministerin Chrystia Freeland spontan zum Frühstück ein. Ein Ereignis im abgelaufenen Jahr schockierte den Europa-Enthusiasten: der Brexit. "Als ich die jungen Menschen weinen gesehen habe, war ich emotional", sagte er bei seiner letzten Pressekonferenz. "Wir haben das Drama mit dem Brexit unterschätzt." Aber: Nicht Emotionen führten zu Lösungen, sondern Vernunft.

Schulz mag es, im Mittelpunkt zu stehen. Sicher einer der Gründe, warum er sich zweimal hintereinander zum Parlamentspräsidenten wählen ließ. Das tat niemand vor ihm. Er selbst beschreibt sich als "lebenslangen Verfechter der europäischen Sache". Sein Antrieb: der kommenden Generation ein gutes, ein besseres Europa übergeben.

Was seine Nachfolge angeht, so hat Schulz' Taktik versagt. Den Pakt, den er 2014 mit der Europäischen Volkspartei schloss, ist aufgekündigt. Nach mehr als 60 Jahren gegenseitiger Unterstützung der beiden Parteien fürchten Beobachter, dass bei der Wahl des neuen Parlamentspräsidenten heute die Rechtspopulisten eine große Rolle spielen könnten.

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