Rückzug im Herbst Wagenknecht will nicht mehr Fraktionschefin der Linken sein

Berlin · Gestern war es genau 20 Jahre her, dass Oskar Lafontaine gleichzeitig den SPD-Vorsitz und seinen Job als Bundesfinanzminister hinschmiss. Und just an diesem Tag verkündete auch Lafontaines Ehefrau, Sahra Wagenknecht, sich vom Fraktionsvorsitz der Linken im Bundestag zurückzuziehen.

 Im Herbst will sich Sahra Wagenknecht  von der Fraktionsspitze der Linken zurückziehen.

Im Herbst will sich Sahra Wagenknecht von der Fraktionsspitze der Linken zurückziehen.

Foto: dpa/Britta Pedersen

Bei der turnusmäßigen Wahl im Herbst tritt die Wahl-Saarländerin nicht mehr an. Im Netz gab es prompt Häme. So fragte die Linken-Abgeordnete Anke Domscheit-Berg: „Zufall?“

Die Antwort muss „ja“ lauten. Bei Wagenknecht ist es jedenfalls ein Rückzug auf Raten. Bereits am Wochenende hatte sie in einem Interview angekündigt, sich aus der Spitze der von ihr selbst gegründeten Sammlungsbewegung „Aufstehen“ zu verabschieden. Ihr Verzicht auf den Fraktionsvorsitz erfolgte nun im Fraktionsvorstand.

In erster Linie haben gesundheitliche Gründe Wagenknecht zu diesem Schritt bewogen. Schon in dem Interview vom Wochenende hatte sie erklärt: „Ich muss auch sehen, welches Arbeitspensum ich schaffe. Dass ich jetzt zwei Monate krankheitsbedingt ausgefallen bin, hatte auch mit dem extremen Stress der letzten Jahre zu tun.“ In Berlin wird schon seit längerer Zeit über eine Immunschwäche-Krankheit der 49-Jährigen gemunkelt. Ihre zahlreich geplanten Wahlkampftermine in diesem Jahr will sie aber ausdrücklich wahrnehmen. Äußerlich war der Politikerin gestern nichts anzusehen.

Wahr ist freilich auch, dass ihr politischer Stern im Sinken war. Zumindest innerparteilich. Ihren bis dato letzten großen Auftritt an der Basis der Linken hatte Wagenknecht auf einem Bundesparteitag im Juni des vergangenen Jahres. Damals hielt ihr eine Delegierte auf offener Bühne vor, dass sie die Partei spalte. Von anderen wurde sie regelrecht ausgebuht. Grund der Kritik war die Bewegung „Aufstehen“, die viele Linke als Schwächung der eigenen Partei betrachten. Auch in der Flüchtlingspolitik schwamm Wagenknecht immer wieder gegen den parteioffiziellen Strom. Die linke Forderung nach „offenen Grenzen für alle“ stufte sie als völlig weltfremd ein – und eckte damit vor allem bei ihren vormals engsten Verbündeten, den ganz linken Linken an. Auch das persönliche Verhältnis zur Parteivorsitzenden Katja Kipping gilt als völlig zerrüttet.

In der Bundestagsfraktion hatte Wagenknecht zuletzt ebenfalls einen schweren Stand. Über Wochen gab es Putschgerüchte, aus denen am Ende ein mühsam errungener Bugfrieden wurde. Dass es nicht zum offenen Eklat kam, ist vor allem der ausgleichenden Rolle des Co-Vorsitzenden Dietmar Bartsch zu verdanken. Dass der 60-jährige Realo die Fraktion künftig allein führt, ist allerdings unwahrscheinlich. Entschieden wird darüber aber wohl erst im Herbst.

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