Pressemitteilung war unzulässig Richter geben AfD gegen Wanka Recht

Karlsruhe · Regierungsmitglieder dürfen ihre Amtsautorität nicht zum Kampf gegen Parteien einsetzen. Das entschied gestern das Bundesverfassungsgericht.

Juristische Niederlage für Johanna Wanka (CDU): Das Bundesverfassungsgericht hat einer Klage der AfD gegen eine Veröffentlichung der Bundesbildungsministerin stattgegeben. Im politischen Wettbewerb müsse das Recht auf Chancengleichheit gewahrt werden, entschied das oberste Gericht in einem gestern in Karlsruhe veröffentlichten Urteil. Durch die Pressemitteilung mit dem Titel „Rote Karte für die AfD“ im Herbst 2015 auf der Homepage des Ministeriums habe Wanka die Partei in ihrem Recht auf Chancengleichheit verletzt. Die AfD äußerte Genugtuung angesichts der Entscheidung. Das Ministerium versicherte, die Vorgaben des Urteils künftig zu berücksichtigen. (AZ: 2BvE 1/16)

Wanka hatte in ihrer Pressemitteilung seinerzeit unter anderem dem AfD-Politiker Björn Höcke vorgeworfen, der Radikalisierung in der Gesellschaft Vorschub zu leisten. Rechtsextreme, „die offen Volksverhetzung betreiben“, erhielten damit unerträgliche Unterstützung.

In der Verhandlung hatte Wanka argumentiert, dass Äußerungen als Reaktion auf verbale Angriffe vom Neutralitätsprinzip gedeckt sein müssten, solange sie sich nach Form und Inhalt in dem durch die Kritik vorgegebenen Rahmen hielten. Die Karlsruher Richter urteilten jedoch, dass der Grundsatz der politischen Chancengleichheit verletzt werde, „wenn das Handeln staatlicher Organe darauf gerichtet ist, die Durchführung politischer Demonstrationen oder das Verhalten potenzieller Teilnehmer zu beeinflussen“.

Anlass der Pressemitteilung war eine angekündigte AfD-Demonstration mit dem Titel „Rote Karte für Merkel! – Asyl braucht Grenzen!“ gewesen, mit der die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung kritisiert wurde.

Der AfD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland zeigte sich erfreut über das Urteil und sprach von Genugtuung. „Gott sei Dank gibt es noch Richter in Karlsruhe“, sagte Gauland. Sein Co-Vorsitzender im AfD-Bundesvorstand, Jörg Meuthen, erklärte, es sei ein Unding gewesen, wie Wanka „missbräuchlich mit ihrer Position umgegangen“ und gegen die AfD vorgegangen sei. Das Urteil sollte anderen Regierungsmitgliedern „eine Lehre sein“.

Die Staatssekretärin im Bildungsministerium, Cornelia Quennet-Thielen, sagte nach der Urteilsverkündung in Berlin: „Die Ministerin ist dankbar für die Klärung der Rechtslage und nimmt das Urteil selbstverständlich an.“ Die politische Auseinandersetzung mit der AfD halte Wanka „weiterhin für richtig und wichtig. Die Vorgaben des Urteils werden natürlich beachtet werden.“

Die Karlsruher Richter erklärten, dass die negative Bewertung einer politischen Veranstaltung in das Recht auf Chancengleichheit der betroffenen Partei eingreife. Dieses Recht sei verletzt, wenn Mitglieder der Bundesregierung eine parteipolitische Veranstaltung zum Anlass nehmen, Werturteile über die veranstaltende Partei abzugeben, oder versuchen, auf das Verhalten der Teilnehmer einzuwirken, sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle. Vielmehr müssten Staatsorgane auch im politischen Wettbewerb der Parteien Neutralität bewahren. Allerdings dürften sie Angriffe gegen ihre Politik sachlich zurückweisen. „Ein Recht auf Gegenschlag, dergestalt, dass staatliche Organe auf unsachliche oder diffamierende Angriffe in gleicher Weise reagieren dürfen, nach dem Motto, ‚wie man in den Wald hineinruft, so schallt es heraus’“, bestehe jedoch nicht, unterstrich Voßkuhle. Staatliche Organe seien nicht dazu aufgerufen, Bürger zur Teilnahme oder Nichtteilnahme an Demonstrationen von politischen Parteien zu veranlassen. „Auch nur mittelbare Boykottaufrufe sind unzulässig.“

Das Bundesverfassungsgericht hatte bereits am 7. November 2015 im Eilverfahren entschieden, dass das Bundesministerium die Pressemitteilung von seiner Homepage entfernen musste.

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