Gewinner und Verlierer „Es Annegret“ und der ewige Horst

Berlin · Eine Saarländerin träumt vom Kanzleramt, ein Bayer muss bald gehen: Die politischen Gewinner und Verlierer des Jahres 2018.

Kann Kanzlerin werden: Annegret Kramp-Karrenbauer. 

Kann Kanzlerin werden: Annegret Kramp-Karrenbauer. 

Foto: picture alliance/dpa/Michael Kappeler

2018 war für die Berliner Politik ein turbulentes Jahr mit einigen Paukenschlägen. Es gab klare Gewinner – und ebenso klare Verlierer. Hier sind sie.

Gewinner:

Annegret Kramp-Karrenbauer. „Es Annegret“, wie man im Saarland gerne sagt, wird in Berlin doch lieber AKK genannt. Passt besser in jede Schlagzeile. AKK hat also den Wettlauf um den CDU-Vorsitz gegen ihren schärfsten Konkurrenten Friedrich Merz gewonnen, wenn auch knapp. Nun muss sie liefern und die CDU nach der Merkel-Ära wieder auf Trab bringen. Schwierig genug, denn die Fallensteller aus dem Merz-Lager lauern immer noch überall. Packt AKK das jedoch, ist ihr Einzug ins Kanzleramt möglich.

Angela Merkel. Einen Abgang „in Würde“ hatte sich die Kanzlerin und CDU-Chefin schon vorgenommen, als sie ihre Karriere vor 18 Jahren begann. Sie hatte das unwürdige Beispiel Helmut Kohls vor Augen, der seine Amtszeit überdehnte und abgewählt wurde. Auch die inzwischen 64-Jährige hat ihren Zenit deutlich überschritten. Vielleicht gerade noch rechtzeitig beschloss sie, auf den Parteivorsitz zu verzichten. Und später auch auf ihr Staatsamt. Teil eins ist gelungen, Teil zwei könnte noch ein Ritt werden.

Franziska Giffey. Sie kam als Überraschungsministerin aus den Niederungen der Bezirkspolitik von Berlin-Neukölln ins Bundeskabinett – und könnte noch höher steigen. Die 40-Jährige machte sich als Gute-Kita-Fee beliebt und mit ihrem unerschrockenen Auftreten in Chemnitz Schlagzeilen. Sie redet schnörkellos und ist bodenständig. Inzwischen wird sie als Müller-Ersatz im Berliner Rathaus genannt, als Nahles-Ersatz für die SPD-Spitzenkandidatur und als Merkel-Ersatz im Kanzleramt. Rasant.

Robert Habeck. Hätten die Grünen geahnt, dass der Norddeutsche für einen derart grandiosen Aufschwung ihrer Partei sorgen würde, hätten sie ihn vermutlich schon zum Spitzenkandidaten für die letzte Bundestagswahl gemacht. Bei der Urwahl unterlag er aber knapp. Dafür leuchtet Habecks Stern nun als Grünen-Chef umso heller. Zusammen mit Annalena Baerbock hat Habeck den Laden auf maximale Geschlossenheit getrimmt. Eine echte Bewährungsprobe gab es allerdings noch nicht.

Kevin Kühnert. Der Chef der SPD-Nachwuchsorganisation „Jungsozialisten“ wurde in diesem Jahr zum Schrecken der Partei-Elite. Im Frühjahr brachte er die Führung mit seiner „No-Groko“-Bewegung zur Weißglut. Im Herbst, nach heftigen Wahlniederlagen in Bayern und Hessen, legte er nach. Das „Time“-Magazin hat ihn schon zum „next generation leader“ gekürt. Und das, obwohl der 29-Jährige, außer die Parteioberen zu nerven, noch nicht viel vorzuweisen hat. Nicht mal einen Studienabschluss.

Verlierer:

Volker Kauder. Nichts ist für immer. Volker Kauder ist im September von der eigenen Fraktion vom Hof gejagt worden. Nach 13 Jahren. Damit gerechnet hat damals kaum einer, am wenigsten wohl Kauder selbst. Doch der Wunsch nach Veränderung war so groß, dass die Mehrheit der Abgeordneten in einer Kampfabstimmung Ralph Brinkhaus zum neuen Fraktionsvorsitzenden wählte. Ein herber Schlag auch für die Kanzlerin, die mit Kauder einen engen Vertrauten verloren hat.

Andrea Nahles. Ihr Versuch, der SPD trotz großer Koalition ein eigenständiges Profil zu geben, scheiterte kläglich. Wahlergebnisse und Umfragen sind katastrophaler denn je. Dazu trug die allmächtige Partei- und Fraktionschefin auch ganz persönlich bei. Im Fall Maaßen versagte sie, die inhaltliche Erneuerung wurde nicht sichtbar, und dann gab es wieder Peinlichkeiten zum Fremdschämen wie ihr „Bätschi“-Ruf oder und das Abknutschen von Griechen-Premier Alexis Tsipras. Prognose: Bevor die 49-Jährige politisch erwachsen wird, wird sie raus sein aus dem Geschäft.

Horst Seehofer. Es war aber auch ein Kreuz mit dem Bajuwaren: sein Rücktritt vom Rücktritt, der ständige Streit mit der Kanzlerin, schräge Äußerungen à la „die Migration ist die Mutter aller Probleme“ – und dann auch noch die Freude über 69 abgeschobene Afghanen an seinem 69. Geburtstag. Geht’s noch? Seehofer hat die Koalition gleich mehrfach an den Rand des Nervenzusammenbruchs geführt. Aber jetzt geht es dem ewigen Horst an den Kragen. Den CSU-Vorsitz muss er im Januar schon an Markus Söder abgeben, seine Tage als Innenminister scheinen danach gezählt zu sein.

Sahra Wagenknecht. Die Fraktionschefin polarisiert die Linkspartei. Bei der Flüchtlingspolitik marschiert die einstige Frontfrau der ganz linken Linken eher nach rechts. Obendrein hat Wagenknecht eine Bewegung namens „Aufstehen“ gegründet, die aber bislang weder inhaltlich noch organisatorisch vorankommt. Von Wagenknecht trennen mag sich die Linke aber auch nicht. Schließlich ist sie populär und kann Säle füllen.

Anja Karliczek. Als die Kanzlerin die Diplomkauffrau aus dem Kreis Steinfurt zur Bildungs- und Forschungsministerin machte, war die Verwunderung schon groß. Jetzt ist sie noch größer. Denn die Ministerin hat es geschafft, eher unbekannter als bekannter zu werden. Und das muss man im Berliner Polit-Geschäft erst einmal hinbekommen. Wirklich aufgefallen ist Karliczek bisher lediglich durch zwei Äußerungen: Durch ihre Kritik an der „Ehe für alle“ und durch den Hinweis, dass 5G nicht an „jeder Milchkanne notwendig“ sei. Gratulation.

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