Pilgern unter Polizeischutz

Lourdes · Strenge Sicherheitsvorkehrungen begleiten dieses Jahr die traditionelle Wallfahrt nach Lourdes. Im Gegensatz zu vielen anderen Sommerveranstaltungen wurde das religiöse Ereignis nach den jüngsten Anschlägen aber nicht abgesagt.

Überwachungskameras, Taschenkontrollen und Straßensperren: Die Gläubigen, die dieses Jahr nach Lourdes pilgern, tun dies unter besonderen Umständen. Die traditionelle Wallfahrt am 15. August steht im Zeichen der jüngsten Anschläge in Frankreich. "Wir haben alles getan, um das Gelände zu sichern", sagte die Präfektin der Region, Béatrice Lagarde, dem Radiosender Europe 1. Eine Absage sei nicht in Frage gekommen, denn: "Die Gläubigen haben ja das Recht, zu dem Ort zu pilgern." 52 Hektar umfasst das Areal mit der Grotte, in der das Hirtenmädchen Bernadette Soubirous im 19. Jahrhundert eine Marienerscheinung gehabt haben soll. Auf drei haben die Behörden die Zugänge beschränkt, um die Kontrolle aller Pilger zu garantieren. Mehr als 200 Polizisten sollen über die erwarteten gut 20 000 Gläubigen wachen. Ein Sicherheitsaufgebot, das sogar noch strenger ist als bei den Besuchen des Papstes 2004 und 2008.

Die Innenstadt wird tagsüber komplett für Autos gesperrt, um ein Szenario wie in Nizza zu verhindern. Dort hatte ein 31-jähriger Tunesier am Nationalfeiertag einen Lastwagen in die Menge gelenkt und 85 Menschen getötet. Für Lourdes , wo bisher unbewaffnete Wächter die Gläubigen beaufsichtigten, sind die Sicherheitsmaßnahmen neu. Doch die katholische Kirche gehört zu den Zielen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS). Das hatte sich Ende Juli gezeigt, als zwei 19-Jährige im Namen des IS dem Priester Jacques Hamel in der Morgenmesse die Kehle durchschnitten. Ein Jahr zuvor waren bereits Angriffe auf Kirchen im Großraum Paris vereitelt worden.

Die Katholiken schreckt das nicht davon ab, dieses Jahr nach Lourdes zu pilgern. Im Gegenteil: Die Anmeldungen für eine der weltweit meist besuchten Wallfahrten legten sogar zu. "In den vergangenen Wochen stiegen die Zahlen spektakulär an. Wir sind von 4000 Anmeldungen auf mehr als 6000 gekommen", beschrieb Pilgerleiter Fabien Lejeusne die Entwicklung. Er hatte die Gläubigen nach dem tödlichen Angriff auf Hamel in einem Brief aufgefordert, "in diesem Kontext" erst recht nach Lourdes zu pilgern.

Die mehrere Tage dauernde Marienwallfahrt in den Pyrenäenort gehört zu den wenigen Sommerereignissen, die nach den Anschlägen in Nizza und in der Normandie nicht abgesagt wurden. Die nordfranzösische Stadt Lille strich den größten Flohmarkt Europas, zu dem Anfang September mehr als zwei Millionen Menschen kommen sollten. Die Begründung: Es sei unmöglich, die Menschenmenge und den angebotenen Trödel in den vielen Straßen zu kontrollieren. "Ich hätte es mir nicht verziehen, wenn es einen Toten oder Schwerverletzten in meiner Stadt gegeben hätte, weil ich nicht den Mut hatte, diese Entscheidung zu treffen", begründete Bürgermeisterin Martine Aubry ihre Absage. Der Halbmarathon, der den Flohmarkt eröffnet, fällt dieses Jahr ebenfalls aus.

Auch Marseille verzichtet am Samstag auf den traditionellen Auftritt der legendären Kunstflugstaffel Patrouille de France. Die acht Alphajets der Luftwaffe, die jedes Jahr am 14. Juli mit ihren blau-weiß-roten Kondensstreifen über die Pariser Champs-Elysées fliegen, hatten im vergangenen Jahr 100 000 Menschen angezogen. Doch die Luftshow sollte über dem Strand stattfinden - seit Nizza ein sensibler Ort.

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