Kommentar Papst Franziskus’ Fehler

Papst Franziskus ist ein Jesuit. Typischerweise holen Jesuiten von verschiedener Seite Rat ein und entscheiden manchmal durchaus autoritär. Im Fall des australischen Kardinals George Pell, der sich nun wegen Missbrauchsvorwürfen verantworten muss, hätte Franziskus lieber auf die Bedenkenträger hören sollen.

Über Pell sind in Rom seit Jahren Gerüchte im Umlauf, er habe sich in seiner Zeit in Australien schweres Fehlverhalten zuschulden kommen lassen. Benedikt XVI. verzichtete einst unter anderem deswegen darauf, den Australier zu befördern. Auch Franziskus muss von diesen Vorwürfen, die nun wieder aktuell und möglicherweise auch justiziabel geworden sind, gewusst haben. Pell sollte als Finanzchef die wichtigen Wirtschaftsreformen des Papstes voranbringen. Nun liegen nicht nur diese auf Eis. Franziskus muss sich vorwerfen lassen, beim Thema Missbrauch fahrlässig gehandelt zu haben. „Wenn die Justiz das Ihre gesagt hat, werde auch ich das Meine sagen“, hatte der Papst vor Wochen zu den Vorwürfen gegen den Kardinal erklärt.

Pell ist noch lange nicht verurteilt, die Unschuldsvermutung gilt auch für ihn. Aber Papst Franziskus ist kein einfacher Regierungschef, er beansprucht höchste moralische Autorität und verspricht einen kompromisslosen Kampf gegen Missbrauch in der Kirche. Ein enger Mitarbeiter, der wegen derartiger Vorwürfe vor Gericht steht, fällt zwangsläufig auch auf den Papst zurück.

Julius Müller-Meiningen

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