Ohne Stahlhelm und Schutzweste

Masar-i-Scharif · Keine Woche im Amt und schon im Auslandseinsatz. Zwei Tage vor Weihnachten taucht Verteidigungsministerin von der Leyen überraschend in Afghanistan auf. Sie will zeigen, dass sie sich um die Soldaten kümmert.

Auch ein schlichtes Advent-Frühstück kann zum Spektakel werden. Gestern Morgen schmiert sich Ursula von der Leyen in der Kantine des Camps Marmal in Masar-i-Scharif ein Marmeladen-Brötchen - bedrängt von 40 Kameraleuten, Reportern und Fotografen. Zehn Minuten zuvor ist sie in Afghanistan angekommen. Das Frühstück ist der erste Kontakt der ersten Frau an der Spitze des Verteidigungsministeriums in Deutschland mit Soldaten im Einsatz.

Damit der nicht so schwer fällt, hat man drei Mitglieder der Sanitätskompanie an ihrem Tisch platziert. Von der Leyen ist Ärztin. "Ich komme ja aus der Branche", sagt sie zu der Sanitäterin gegenüber, die für den Fall eines Anschlags ihre Blutgruppe an der Uniform trägt. Als erstes will die neue Oberbefehlshaberin der Bundeswehr wissen, wie die Kommunikation mit der Heimat läuft. Telefon? Skype? "Mir ist wichtig zu zeigen, ich bin für die Soldatinnen und Soldaten da. Da können sie sich fest drauf verlassen", sagt sie später. Deshalb wollte von der Leyen unbedingt auch noch vor dem Jahreswechsel nach Afghanistan. In Frage kam nur das Wochenende vor Heiligabend oder die Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr. Die Wahl fiel schließlich auf den vierten Advent, obwohl der Mutter von sieben Kindern der Sonntag eigentlich heilig ist. Sie wolle einen "Einblick in die Lebenswirklichkeit" der Soldaten bekommen, sagt die Ministerin etwas umständlich. "Das ist schon etwas anderes als das, was man in der Theorie bei den sehr guten Einweisungen im Ministerium erfährt."

Mit dem Blitzbesuch will sich von der Leyen auch auf anstehende Entscheidungen vorbereiten. Das Mandat für das letzte Jahr des Bundeswehr-Kampfeinsatzes in Afghanistan muss bis Ende Februar vom Bundestag verabschiedet werden. Ebenfalls im Februar wollen die Nato-Verteidigungsminister entscheiden, wie es nach 2014 in Afghanistan weitergehen soll. Deutschland ist bereit, sich mit bis zu 800 Soldaten an einer Nachfolgemission zur Ausbildung und Beratung der afghanischen Streitkräfte zu beteiligen.

Anschauungsunterricht vor Ort ist da sicher hilfreich. "Von jetzt an gilt es in die Tiefe einzusteigen und zu lernen", sagt von der Leyen. Zwei Tage will sie im Camp Marmal bleiben. Ihr Programm reicht vom Gespräch mit der letzten deutschen Kampfeinheit in Afghanistan bis zum Besuch der Materialschleuse, in der Tausende Fahrzeuge und Container für die Rückkehr nach Deutschland vorbereitet werden.

Die spektakulären Bilder, die bei früheren Minister-Besuchen üblich waren, werden diesmal aber wohl fehlen. Von der Leyen bleibt in den sicheren Mauern des Camps Marmal. Es gibt keinen Hubschrauber-Transfer in ein anderes Camp und auch keinen Flug mit einem Militär-Flugzeug nach Kabul. Das Tragen eines Stahlhelms oder einer Schutzweste bleibt ihr damit erspart. Schwarze Hose, dunkle Jacke und Stiefeletten mit halbhohen Absätzen - so schreitet sie durch das Camp.

So mancher Vorgänger handhabte das anders. Bei Karl-Theodor zu Guttenberg ging die Identifizierung mit der Truppe so weit, dass er mit Bundeswehr-T-Shirt und Kampfstiefeln gefährliche Außenposten besuchte. Die Soldaten liebten das. Sie liebten auch die Medien-Aufmerksamkeit, die der damalige Minister ihnen brachte. Die dürfte mit der neuen Ministerin jetzt wieder zunehmen. Mehr als 60 Medienvertreter hatten ihr Interesse für die Mitreise angemeldet. Für 40 war schließlich Platz. Aber auch das ist schon Rekord.

Für die Soldaten in Afghanistan ist es der zweite Ministerbesuch innerhalb von zehn Tagen. Bereits in der vergangenen Woche war Thomas de Maizière (CDU) zur traditionellen Weihnachtsvisite in Masar-i-Scharif. Dass so kurz vor Heiligabend schon wieder Besuch aus Berlin da ist, sehen viele Soldaten zwiespältig. Auf der einen Seite freuen sie sich über die Aufmerksamkeit. Auf der andere Seite bedeuten die tagelangen Vorbereitungen massiven Stress.

Ob von der Leyen die hohe Frequenz der Afghanistan-Besuche ihrer Vorgänger künftig aufrechterhalten kann und will, wird sich zeigen. Guttenberg war in 16 Monaten neunmal am Hindukusch, de Maizière in 33 Monaten 14 Mal.

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