Foto-Affäre Özil, Gündogan und das Erdogan-Abseits

Köln · Die deutschen Nationalspieler sorgen mit Fotos mit dem türkischen Präsidenten für Aufruhr. Es geht darum, wie viel Politik in dem Fall steckt.

 Die Fotos des Anstoßes: In einem Londoner Hotel posierten die deutsch-türkischen Nationalspieler Mesut Özil (Bild oben) und Ilkay Gündogan mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan.

Die Fotos des Anstoßes: In einem Londoner Hotel posierten die deutsch-türkischen Nationalspieler Mesut Özil (Bild oben) und Ilkay Gündogan mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan.

Foto: dpa/Uncredited

Foulspiel oder nicht? Die Nation diskutiert, und diesmal geht es nicht um Fußball. Sondern um Politik. Die frisch für den vorläufigen WM-Kader nominierten deutschen Nationalspieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan stehen wegen ihrer Trikot-Geschenke an den wahlkämpfenden türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan kräftig unter Beschuss. Welche Wirkung hat es, wenn Sportpromis mit türkischen Wurzeln freundlich lächelnd neben einem umstrittenen Herrscher posen?

Empörung auf allen Seiten haben die Trikot-Tausch-Bilder ausgelöst, die sich rasend schnell über die sozialen Medien verbreiteten. Da hilft es kaum, dass Gündogan beteuert, die Fotos in einem Londoner Hotel seien kein politisches Statement. Nicht sehr glaubhaft, finden viele – so auch der deutsch-türkische Journalist Hüseyin Topel: „Das ist eine deutliche Positionierung für Erdogan im politische Sinne.“ Sie werde auf fruchtbaren Boden fallen. „Die Aktion wird sicherlich viele Türken hier beeinflussen. Besonders bei den jungen Leuten werden viele den Eindruck haben: coole Geste.“

Denn was Gündogan auf Türkisch auf das Trikot schrieb: „Für meinen verehrten Präsidenten“ – spiegele wider, was viele in Deutschland dächten, beschreibt Topel. Die Promis Özil und Gündogan sieht er in einer besonderen Verantwortung: „Es ist offensichtlich, dass Erdogan Deutsch-Türken für seine Wahlkampfzwecke instrumentalisiert.“ Das könne den beiden nicht entgangen sein. „Für Erdogan sieht es derzeit schlecht aus im Wahlkampf, er braucht die Unterstützung von allen möglichen Multiplikatoren. In der Türkei nutzt er auch Sänger oder Schauspieler.“

Seit dem Putschversuch im Sommer 2016 gilt der Ausnahmezustand in der Türkei, Grundrechte sind eingeschränkt, mehr als 50 000 Menschen wurden inhaftiert, mehr als 130 000 Beamte suspendiert. Erdogan will sich am 24. Juni erneut wählen lassen, die Opposition fürchtet eine Ein-Mann-Herrschaft. In Deutschland können rund 1,4 Millionen Türken abstimmen.

Die beiden Fußballer stellen sich „ins Abseits“, sagt die türkischstämmige NRW-Integrationsstaatssekretärin Serap Güler. Der gemeinsame Auftritt werte nicht nur Erdogan auf, sondern löse unnötig eine neue Integrationsdebatte aus. „Natürlich kann man sich als Mensch mit Migrationsgeschichte auch dem Herkunftsland der Eltern verbunden fühlen, das heißt aber nicht, dass man Despoten huldigen muss. Die beiden sollten hier klarstellen, dass sie sich die Kritik zu Herzen nehmen und sich ganz klar von Erdogan distanzieren.“

Die Türkische Gemeinde in Deutschland will den Ball flach halten: „Jeder Kommentar ist zusätzlich Öffentlichkeitsarbeit für Erdogan“, meint der Vorsitzende Gökay Sofuoglu. „Bashing-Attacken“ gegen die Fußballer seien „fehl am Platz.“ Die Kurdische Gemeinde verurteilt den „sorglosen Umgang“ der beiden. „Eine politische Meinungsäußerung deutscher Nationalspieler ist natürlich absolut legitim“, sagt der Düsseldorfer Kommunikationsexperte Frank Marcinkowski. Aber: Sie müssten sich bewusst sein, was das auslösen könne.

 Ilkay Gündogan mit Präsident Erdogan.

Ilkay Gündogan mit Präsident Erdogan.

Foto: dpa/Uncredited

Die Foto-Affäre ist nicht nur für die beiden Promis, sondern auch für den Deutschen Fußball-Bund und Präsident Reinhard Grindel ein XXL-Ärgernis. Konterkariert sie doch die DFB-Bemühungen um Fair Play für die Integration. Grindel stellt klar: „Der Fußball und der DFB stehen für Werte, die von Herrn Erdogan nicht hinreichend beachtet werden.“ Journalist Topel hat einen Rat für die Kicker. Falls es ihnen wirklich nicht um politische Position ging, „sollten Gündogan und Özil auch schnell Selfies mit den vier Gegenkandidaten Erdogans posten.“

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