Nudeln für den Katastrophenfall

Berlin. Dass es eine nationale, staatliche Ölreserve gibt, die in einer Krise Deutschlands Energieversorgung 90 Tage lang sichern soll, ist den meisten bekannt. Beim Gas gibt es ebenfalls Vorräte, die allerdings von den Energiekonzernen vorgehalten werden

Berlin. Dass es eine nationale, staatliche Ölreserve gibt, die in einer Krise Deutschlands Energieversorgung 90 Tage lang sichern soll, ist den meisten bekannt. Beim Gas gibt es ebenfalls Vorräte, die allerdings von den Energiekonzernen vorgehalten werden. Was aber vermutlich die wenigsten Bürger wissen ist, dass die Bundesrepublik für den Notfall auch Nahrungsmittel hortet: 600 000 Tonnen Getreide, dazu 65 000 Tonnen Reis, 39 000 Tonnen Erbsen und Linsen, 6000 Tonnen Kondensmilch sowie 200 Tonnen Vollmilchpulver. Ernährungsministerin Ilse Aigner (CSU) plant nun, die staatlichen Lebensmittelnotvorräte neu zu ordnen. Das bisherige Konzept gilt als überholt - künftig soll es heißen: Nudeln für den Katastrophenfall. Verteilt sind die Vorräte bundesweit auf 100 Standorte, die geheim gehalten werden, um in einer Krise Plünderungen zu vermeiden. Kommt es zum Verteidigungsfall, zu einer Natur- und Umweltkatastrophe wie in Tschernobyl, zu Tierseuchen, zu Streiks oder terroristischen Anschlägen, dann kann auf die Lebensmittelreserve zurückgegriffen werden. Das alleinige Verfügungsrecht liegt aber beim Bund. Dieser entscheidet, ob die Notvorräte verwendet werden oder nicht. Wenn ja, geht es nicht um eine Vollversorgung der 82 Millionen Deutschen, sondern um die Überbrückung von kurzfristigen Engpässen mit Brot und in den Ballungsregionen mit einer warmen Mahlzeit am Tag. Für die Verteilung wären das Technische Hilfswerk und andere Hilfsorganisationen zuständig, auch die Bundeswehr könnte im Zuge der Amtshilfe eingesetzt werden. Aigner plant nun Neuerungen: Derzeit werde geprüft, so ein Sprecher des Ernährungsministeriums, ob "andere, weiter verarbeitete Produkte eingelagert werden sollen". Gemeint sind für die Krise Mehl, Nudeln und so genannte Fertig-Menüs oder "Einmannpakete", wie man sie vom Militär kennt. Hintergrund ist, dass die Getreide-Notvorräte nicht zum direkten Verzehr geeignet sind, sondern erst verarbeitet werden müssen. Nur: Bereits fertige Lebensmittel sind deutlich kürzer haltbar, weshalb die Waren häufiger ausgetauscht werden müssten. Aigners Ministerium plant daher eine Kooperation mit Mühlen und Nudelproduzenten. Vorbild ist das bereits praktizierte Verfahren bei der Kondensmilch: Die Milch-Betriebe haben sich verpflichtet, eine bestimmte Menge jederzeit verfügbar im Werk zu lagern und die Ware regelmäßig zu erneuern.Verwendet wurden die Notvorräte in Deutschland bisher noch nicht. Alle zehn Jahre werden die Bestände an Getreide, Reis und Hülsenfrüchten ausgetauscht und, soweit in Ordnung, wieder verkauft. Alle vier bis sechs Wochen wird ihr Zustand von Experten kontrolliert. Der Bund lässt sich die Lagerung rund 15 Millionen Euro jährlich kosten.

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