Nicht einmal eine Konjunkturdelle

Schon unmittelbar nach dem griechischen Referendum forderten deutsche Wirtschaftsverbände einen „Grexit“, den Austritt des Landes aus der Eurozone. Warum man eine solche Entwicklung nicht mehr fürchtet, erläuterte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Achim Dercks, unserem Berliner Korrespondenten Werner Kolhoff.

Aus der deutschen Wirtschaft waren nach dem Griechenland-Referendum relativ harte Töne gegen Athen zu hören. Hat man keine Angst mehr vor einem Grexit?

Dercks: Es geht nicht um harte oder weiche Töne. Es geht darum, dass die Lücke zwischen den Vorstellungen Griechenlands und denen der Partner in Europa durch den Ausgang des Referendums eher größer geworden ist als kleiner und eine Lösung immer schwieriger wird.

Griechenland verlangt Verhandlungen über ein neues Rettungspaket und einen Schuldenschnitt.

Dercks: Ein weiterer Schuldenschnitt wäre derzeit überhaupt keine Hilfe für Griechenland. Die eigentlichen Rückzahlungen sind ohnehin erst nach 2020 fällig. Es geht jetzt um ganz andere Probleme. Griechenland müsste endlich substantielle Reformen durchführen. Die sind der Knackpunkt. Ein Schuldenschnitt als erster Schritt wäre das falsche Signal.

Ausgerechnet Syriza soll solche Reformen machen?

Dercks: In der Tat muss man daran große Zweifel haben. Aber auch frühere Regierungen haben sich mit Reformen schwer getan. Das ist ja genau die Diagnose: Die Erwartungen der europäischen Partner und das Handeln der griechischen Regierung liegen meilenweit auseinander, und das schon seit langem.

Nun dauert die Krise schon fünf Jahre. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende, was meinen Sie?

Dercks: Das Heft des Handelns liegt in der Hand der Griechen. Sie haben jetzt die vielleicht letzte Chance, glaubwürdige Vorstellungen vorzulegen. Allerdings ist bei den europäischen Partnern viel Vertrauen verspielt worden. Und es ist ein halbes Jahr vertan worden. Jetzt wird es schon aus rechtlichen und technischen Gründen sehr, sehr eng. Es könnte zu einem ungewollten Grexit kommen, weil die Zeit nicht mehr reicht.

Wie groß wären die Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft?

Dercks: Relativ gering. Die Handelsbeziehungen bewegen sich im einstelligen Milliardenbereich.

Gäbe es eine Konjunkturdelle?

Dercks: Nein, wir sehen keine Konjunkturdelle durch Griechenland selbst. Man kann aber nicht absehen, welche Nervositäten ein Grexit an den Finanzmärkten auslösen würde. Im Moment sind wir allerdings nicht alarmiert und glauben nicht, dass es große Zweit- und Drittrundeneffekte geben wird. Die Börsen und Devisenmärkte haben die Entwicklung schon weitgehend eingepreist; die aktuellen Ausschläge sind nicht besonders groß. Griechenland ist eben ein sehr kleines Land in Europa, auch sind die Banken in Europa inzwischen besser abgesichert als noch vor fünf Jahren.

Unter dem Strich: Soll man es noch mal versuchen mit den Griechen oder nicht?

Dercks: Man muss ihnen die Chance geben, ihre Vorschläge auf den Tisch zu legen. Aber es ist gut möglich, dass die Zeit nicht mehr ausreicht für eine tragfähige Lösung. Diese Woche wird entscheidend sein.

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