Zu viele ausländische Ärzte? Wenn Ärzte erst lernen müssen, was die Fregg ist

Saarbrücken · Nahezu jeder dritte Klinikarzt im Saarland ist Ausländer. Sprachprobleme sind ein Dauerthema im Klinikalltag.

 1018 ausländische Ärzte arbeiten zurzeit im Saarland. Die größte Gruppe bilden Syrer, wie dieser Klinikarzt in Thüringen.

1018 ausländische Ärzte arbeiten zurzeit im Saarland. Die größte Gruppe bilden Syrer, wie dieser Klinikarzt in Thüringen.

Foto: picture alliance / ZB/dpa Picture-Alliance / Michael Reichel

Mit dem Wort „Fregg“ kann man Logman Khalafov (25) nicht schrecken. Sprachen sind das Hobby des Georgiers. Auch die Flemm kennt der Assistenzarzt der Anästhesiologie bereits. Seit sieben Monaten arbeitet er am Saarbrücker Winterberg Klinikum, kann sich gut verständigen. Den Rest an Kommunikationsproblemen erledigt der junge Mann wie folgt: „Du musst nett sein und Liebe zeigen.“ Trotzdem besucht Khalafov zweimal wöchentlich den klinikeigenen „Deutsch-Sprachkurs für internationale Ärztinnen und Ärzte“, den sein Arbeitgeber für ihn finanziert. Schwerpunkt: verbale Kommunikation mit Patienten, auch schriftliche Korrespondenz, etwa in Form von Arztbriefen.

Solche Zusatz-Angebote für ausländische Ärzte sind freiwillige Leistungen der Kliniken und keineswegs flächendeckend Standard. Obwohl allen Verantwortlichen, und jetzt auch der saarländischen Landesregierung, das Thema unter den Nägeln brennt: Der Wackelkontakt zwischen ausländischen Ärzten und Patienten. Ursache: mangelnde Sprachkompetenz. Dies, obwohl alle, die als Ärzte in Deutschland arbeiten wollen, nicht nur ihre medizinische Befähigung, sondern auch Deutschkenntnisse mit Testaten nachweisen müssen.

Doch Papier ist geduldig, das weiß auch Stephan Kolling (CDU), Staatssekretär im saarländischen Gesundheitsministerium. Zuvor leitete er das Landesamt für Soziales in Saarbrücken, das für Approbationen zuständig war. „Wenn ich die Urkunden überreichte, hatte ich oft den Eindruck, dass ich mich mit den ausländischen Ärzten nicht wirklich verständigen konnte.“ Jetzt hat er das Thema zur Chefsache erklärt, ist dabei, zusammen mit der Ärztekammer und der Krankenhausgesellschaft landesweit standardisierte Sprachkurse zu entwickeln. 20 000 Euro will er den Kliniken als Anreiz dafür bieten. Kolling sieht die Verwaltungschefs in den Kliniken in der Pflicht, ihre Mitarbeiter zu motivieren: „Sprachkurse fördern ein gutes Klima in den Kliniken, und das ist durchaus ein Wettbewerbsfaktor.“ Anlass für die neue erhöhte Dringlichkeit bietet die Statistik. In rund zehn Jahren erhöhte sich die Zahl ausländischer Ärzte von 414 auf 1018. In den Kliniken, wo insgesamt 2829 Ärzte beschäftigt sind, kommen derzeit 788 aus dem Ausland. In mancher Klinik ist jetzt schon fast jeder zweite Arzt kein Muttersprachler mehr. Als „pauschales Problem“ will das Josef Mi­scho, Präsident der Saar-Ärztekammer, jedoch nicht bezeichnen. Die Quantität ausländischer Kollegen sei nicht ausschlaggebend, bei fachlicher und sprachlicher Eignung würden sie von Patienten problemlos respektiert. Auch gibt es offensichtlich große Unterschiede in der Integrations-Fähigkeit. Ärzte, die sich bereits seit Jahren auf einen Deutschland-Aufenthalt vorbereiteten, sind kaum zu vergleichen mit Ärzten, die Hals über Kopf flüchten mussten.

So schlägt denn das Thema Verständigung als Dauerbrenner-Thema im Klinikalltag auf. „Viele sagen nicht etwa, ich will keinen Ausländer als Arzt. Aber die Menschen sagen: Ich will ihn nicht, weil ich ihn nicht verstehe“, sagt Armin Lang, Präsident des hiesigen Sozialverbandes VdK. Er hält die unerquickliche Situation für hausgemacht: Die Deutschen müssten selbst mehr Ärzte ausbilden, dürften nicht, um die hohen Kosten für das Medizinstudium zu sparen, weltweit auf Ärzte-Klau gehen: „Wir erzeugen einen Sog.“ Doch nicht nur Patienten sind die Leidtragenden, die in existenziell wichtigen Situationen Missverständnisse und Irritationen aushalten müssen. Häufig gibt es auch klinikintern Frust. Dann ist die Ursache weniger sprachlicher Natur, sondern soziokulturell begründet. „Neben sprachlichen gibt es auch kulturelle Hürden“ – unter diesem Titel berichtete das Deutsche Ärzteblatt darüber, und auch im Saarland kennt man die Situation, wie Ärztekammer-Präsident Mischo bestätigt. Mancher Arzt aus dem arabischen Raum ist offensichtlich nicht gewöhnt, im Team und mit dem Pflegepersonal auf Augenhöhe zu arbeiten. Wichtige Hinweise der Schwestern würden dann nicht ernst genommen – zu Lasten des Patienten. Der im Saarland für Pflege zuständige Verdi-Sekretär Michael Quetting möchte solcherart „Konfliktfelder“ jedoch nicht überbewerten. Oft mangele es schlicht an Aufklärung, etwa über deutsche Arbeitsgesetze, sagt der Gewerkschafter.

Nicht nur deshalb sieht Manfred Klein, Vorsitzender der saarländischen Krankenhausgesellschaft (SKG), die „zwingende Notwendigkeit“, die medizinischen Sprachkurse zu optimieren und zu standardisieren. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein ähnlicher Zuwachs ausländischer Pflegekräfte demnächst beim Pflegepersonal zu erwarten sei. Doch bis solche Programme laufen, braucht es Überbrückungslösungen. Dr. Konrad Schwarzkopf, Chefarzt Anästhesiologie am Winterberg Klinikum, berichtet über ein pragmatisches Vorgehen, das Kollegen entlaste, die des Deutschen noch nicht mächtig sind. „Wenn sensible Patientengespräche anstehen, lassen wir sie von denjenigen führen, die das sprachlich leisten können. Das lässt sich durchaus steuern.“ Schwarzkopf sieht die Chefärzte mit in der Pflicht, ausländische Ärzte zu Sprachkursen zu motivieren, dann aber auch, in den Dienstplänen Rücksicht zu nehmen auf deren Kursteilnahme. Schöne neue Klinikwelt.

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