Rückzug Österreichs Berlin steht weiter zum UN-Migrationspakt

Berlin · Der Ausstieg Österreichs befeuert auch in Deutschland eine Debatte. Die AfD fährt schon länger eine Kampagne gegen das Abkommen.

 Frauen und Kinder im nigerianischen Flüchtlingslager Bakassi. 180 der 193 UN-Mitgliedstaaten wollen sich unter anderem dazu verpflichten, Migranten menschenwürdig zu behandeln und Fluchtursachen zu bekämpfen.

Frauen und Kinder im nigerianischen Flüchtlingslager Bakassi. 180 der 193 UN-Mitgliedstaaten wollen sich unter anderem dazu verpflichten, Migranten menschenwürdig zu behandeln und Fluchtursachen zu bekämpfen.

Foto: dpa/Kristin Palitza

Der am Mittwoch verkündete Ausstieg Österreichs aus dem geplanten UN-Migrationspakt hat auch in Deutschland die Debatte um das Vorhaben belebt. Vor allem die AfD, aber auch Konservative in der Union laufen dagegen Sturm. Die Bundesregierung will jedoch an ihrem Vorhaben festhalten, das Abkommen am 10. Dezember bei einer internationalen Konferenz in Marrakesch mitzutragen.

AfD-Chef Jörg Meuthen lobte am Mittwoch sogleich die Entscheidung Wiens: Österreich wahre damit seine Souveränität und Entscheidungshoheit in Fragen der Migration. Die deutsche Bundesregierung dürfe dem Pakt nicht zustimmen. „Die Beschleunigung und Vervielfachung der Zuwanderung muss verhindert werden, um irreversible Schäden vom Volk abzuwenden“, sagte Meuthen. In der seit Monaten laufenden AfD-Kampagne im Internet gegen das UN-Vorhaben ist die Tonlage noch härter: Der Pakt sei ein „verstecktes Umsiedlungsprogramm für Wirtschafts- und Armutsflüchtlinge“, heißt es dort. „Deutschland wird danach als Land nicht mehr wiederzuerkennen sein“, sagte die AfD-Abgeordnete Nicole Höchst kürzlich im Bundestag.

Der Entwurf des 25-seitigen Papiers gibt für solche „Umvolkungs“-Thesen nur wenig her. Allerdings sieht die UN, anders als die AfD, Migranten nicht von vornherein negativ, sondern betrachtet die Migration als einen Fakt, den es zu regeln gilt. UN-Generalsekretär Antonio Guterres hält legale Migration sogar für notwendig, um alternde Gesellschaften zu erhalten.

Das Papier fordert, dass Migranten menschenwürdig behandelt werden, inklusive eines Zugangs zu Bildung und sozialen Leistungen. Die Länder sollen miteinander kooperieren, etwa wenn es um Identitätsfeststellung oder Lebensrettung geht. Auch wird verlangt, alles zu tun, um Faktoren, die Menschen dazu bewegen, ihre Heimat zu verlassen, gemeinsam zu bekämpfen. Ebenfalls in Arbeit ist bei der UN ein Flüchtlingspakt, bei dem es darum geht, alle Staaten zu einem menschlichen Umgang mit Kriegs- und Armutsflüchtlingen zu verpflichten und Schlepper zu bekämpfen. Er ist – anders als der Migrationspakt – noch nicht fertig.

Beide Papiere sind keine völkerrechtlich verbindlichen Verträge, sondern Leitlinien, denen die Staaten folgen sollen. Die AfD fürchtet allerdings, dass zum Beispiel deutsche Gerichte bei Verfahren gegen Abschiebungen den Klägern unter Hinweis auf die UN-Texte leichter recht geben könnten.

Bei einer ersten Bundestagsdebatte im April hatten noch alle anderen Parteien der AfD-Position widersprochen. Allerdings gibt es zumindest in der CDU jetzt auch erste Kritiker. So warnte die konservative Werte-Union, der Vertrag könne sich zum „trojanischen Pferd hinsichtlich der Förderung massenhafter, ungesteuerter und illegaler Einwanderung nach Westeuropa und speziell Deutschland entwickeln“. Auch bestehe die Gefahr, dass die EU versuchen werde, den unterzeichnenden Mitgliedstaaten eine nicht gewollte Migration in die Sozialsysteme aufzuzwingen.

Das war auch die Argumentation, die Österreich bei seinem Ausstieg nannte. Zuvor hatten sich bereits weitere Staaten, darunter die USA, Ungarn und Australien, aus dem Vorhaben verabschiedet, sodass derzeit nur noch 180 von 193 Nationen dabei sind. Die Bundesregierung hält an ihrer Beteiligung gleichwohl fest: „Wir werden das unterstützen“, sagte Staatsminister Michael Roth (SPD) unserer Redaktion. Bei über 250 Millionen Migranten weltweit pro Jahr sei das Problem eine „globale Realität, der wir uns stellen müssen“. Das Abkommen solle nicht nur die Menschenrechte der Betroffenen sichern, sondern Herkunfts-, Transit und Aufnahmeländern helfen. Roth kritisierte, die AfD-Kampagne arbeite mit „unglaublichen Lügen und Ängsten“.

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