Reaktion auf EU-Gipfel Nach dem „Salzburg-Desaster“ schaltet May auf Kampfansage

London · Die britische Premierministerin holt zum Gegenschlag aus: Denn auf dem EU-Gipfel erlitt sie eine „Demütigung“, wie nicht nur die heimische Presse fand.

 Ihr Brexit-Chaos hält an: Premierministerin Theresa May.

Ihr Brexit-Chaos hält an: Premierministerin Theresa May.

Foto: AP/Frank Augstein

Als die britische Machtzentrale in Downing Street für den Nachmittag ein Statement von Premierministerin Theresa May ankündigte, ging in Westminster bereits die Sorge um, sie könnte eine Neuwahl ausrufen. Zu selten finden solch kurzfristig anberaumten Ansprachen der Regierungschefin statt, zu blank liegen die Nerven im Politbetrieb. Was sie am Freitag dann jedoch zu sagen hatte, glich einer Kampfansage Richtung Brüssel nach dem informellen EU-Gipfel, den Medien wie Politiker bereits auf „Salzburg-Desaster“ getauft hatten.

Den Plan der britischen Regierung für die künftigen Handelsbeziehungen nach dem Brexit abzulehnen, ohne Alternativen zu offerieren, sei „inakzeptabel“, sagte May ungewöhnlich scharf und kickte den Ball zurück ins Feld der EU, indem sie „eine genaue Erklärung und Gegenvorschläge“ forderte. Ihre Warnung lautete übersetzt: Entweder die EU gibt nach oder die Briten gehen ohne Abkommen. Anders als am Tag zuvor in Salzburg, wo die Premierministerin sichtlich angezählt und verkniffen vor die Presse trat, wirkte sie gestern aufgeräumt und selbstbewusst. Sie zielte mit ihrem Gegenangriff nicht nur gen Brüssel, sondern auch in Richtung ihrer Landsleute, die sie von ihrer Brexit-Strategie zu überzeugen versucht, sowie ihrer Kritiker, die in großer Zahl innerhalb der eigenen konservativen Partei sitzen. Sie werde weder das Ergebnis des Referendums rückgängig machen noch ihr Land auseinanderbrechen lassen, betonte May. Darauf aber liefen die Vorschläge der EU hinaus. Die Verhandlungen befänden sich wegen Brüssel „in einer Sackgasse“.

Immerhin, das zweitätige Treffen in Österreich hatte einen entrüsteten Aufschrei nach sich gezogen, wie er so laut lange nicht mehr auf der Insel zu hören war. „Europäische dreckige Ratten“ („EU dirty rats“), titelte etwa die konservative Boulevardzeitung „The Sun“ und druckte eine Fotomontage von zwei Mafia-Gangstern mit Maschinengewehren, die den französischen Präsidenten Emmanuel Macron sowie EU-Ratschef Donald Tusk zeigen sollten. „Euro-Gangster überfallen May aus dem Hinterhalt“, hieß es dazu. Der linksliberale „Guardian“ wie auch „The Times“ schrieben von einer „Demütigung“ für die Regierungschefin, nachdem Tusk dem sogenannten Chequers-Vorschlag eine klare Absage erteilt hatte, da dieser den gemeinsamen Binnenmarkt untergraben würde. Dass der Pole die Premierministerin dann noch ohne diplomatisches Feingefühl mit einem „geschmacklosen Foto“ auf Instagram verspottete und damit auf das permanente Rosinenpicken der Briten anspielte, kam alles andere als gut an im Königreich. „Ich habe die EU immer nur mit Respekt behandelt“, sagte May nun eindringlich. „Das Königreich erwartet dasselbe.“

Die Brexit-Hardliner fühlen sich nach dem Gipfel derweil genauso bestätigt wie die Europa-Freunde, unter denen indes ebenfalls viele den von May vorgelegten Bre­xit-Plan ablehnen. Der europafreundliche Flügel der Labour-Partei will einen Parteitag am Sonntag nutzen, um die Forderung nach einem zweiten Brexit-Referendum zur offiziellen Parteilinie zu machen.

Auch die Konservativen stehen vor einem Parteitag, und May nach Salzburg unter enormem Druck. Ihr Sturz durch die Hardliner ist wieder wahrscheinlicher geworden. Und die Sorge unter den pro-europäischen Kräften wächst, dass Großbritannien am 29. März ohne Abkommen aus der EU krachen und damit auf ein Chaos zusteuern könnte.

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