Reichsbürger-Prozess Mord nach den Gesetzen im Staate P.

Nürnberg · Er kannte nur seine eigenen Regeln. Daher meinte er, auf Polizisten schießen zu können. Nun muss der 50-jährige „Reichsbürger“ lebenslang in Haft.

 Der verurteilte „Reichsbürger“ Wolfgang P. gestern im Landgericht Nürnberg-Fürth.

Der verurteilte „Reichsbürger“ Wolfgang P. gestern im Landgericht Nürnberg-Fürth.

Foto: dpa/Daniel Karmann

() Er war bereit, sein von ihm geschaffenes „Staatsgebiet“ mit „Blut, Eisen und Feuer“ zu verteidigen. So zitiert die Vorsitzende Richterin Barbara Richter-Zeininger aus Dokumenten von Wolfgang P. aus Georgensgmünd. Der 50-Jährige habe die Bundesrepublik und ihre Amtsträger nicht anerkannt. Er habe sie als eine GmbH gesehen, an deren Gesetze er sich nicht halten muss. Stattdessen habe er sich seine eigenen Regeln gegeben – die ihm erlauben, Gewalt anzuwenden.

Aus dieser Gesinnung heraus habe er bei einem Polizeieinsatz am 19. Oktober 2016 auf Beamte geschossen, einen von ihnen getötet und zwei verletzt. Damals sollten die rund 30 Waffen des 50-Jährigen beschlagnahmt werden. Wegen Mordes und zweifachen versuchten Mordes verurteilt das Landgericht in Nürnberg den 50-Jährigen zu lebenslanger Haft.

Als P. den Gerichtssaal betritt, hat er ein Lächeln im Gesicht. Die Urteilsbegründung nimmt er regungslos hin. Ihm gegenüber sitzt die Mutter des Beamten, den er vor einem Jahr getötet hat. P. habe sich nach einem schweren Unfall vor 16 Jahren immer mehr verändert und sein „eigenes System“ aufgebaut, sagt die Richterin. Er gibt seinen Personalausweis ab, meldet seinen Wohnsitz ab, zahlt keine Steuern mehr. Er „gründet den absoluten Staat P.“, gibt sich „Allgemeine Geschäftsbedingungen“ und sogar eine „Gebührenordnung“. Seinen Briefkasten markiert er mit der Aufschrift „Abfall“. Der Fall warf ein Schlaglicht auf die Bewegung der „Reichsbürger“. Davor hatten sie viele als „Spinner“ abgetan.

Wenn Polizisten oder andere Behördenvertreter zu P. kommen, dürfen diese seinen „Staat“ nur auf Einladung betreten. Mit gelben Linien um sein Grundstück markiert er sein Reich. Eine Kontrolle der Waffen in seinem Haus lässt er nicht zu. Das Landratsamt beschließt daher, P.s Waffenerlaubnisse zu widerrufen.

Als die Beamten dann am frühen Morgen sein Haus stürmen, rufen sie mehrfach laut „Polizei“. Dies habe der Angeklagte gehört und er habe auch das Blaulicht gesehen. Daraufhin habe er seine Pistole genommen und durch die teilverglaste Wohnungstür elfmal auf die Beamten gefeuert. Sieben Schüsse treffen einen 32-Jährigen. Ein Projektil durchdringt die Lunge. Er stirbt später an einem Hirnschaden wegen Sauerstoffunterversorgung.

Die Kammer sieht zwei Mordmerkmale als erfüllt: Heimtücke und niedere Beweggründe. Ein Angriff auf einen Repräsentanten des Staates aus einer solchen Ideologie heraus sei zudem „verachtenswert“. Eine besondere Schwere der Schuld sah die Kammer nicht. Damit kann P. vorzeitig aus der Haft entlassen werden.

Obwohl P. die Gerichte in Deutschland nicht anerkennt, hofft er nun auf eines: Seine Anwältin Susanne Koller kündigte an, in Revision zu gehen.

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