Saarbrücker Gießerei Die Halberger bejubeln den Verkauf

Saarbrücken · Nach Monaten des Überlebenskampfes werden die Käufer der Neue Halberg Guss gefeiert wie Helden – und verbreiten Zuversicht.

  Die Mitarbeiter der Neue Halberg Guss freuen sich, dass Prevent Geschichte ist und endlich ein anderer Investor das Traditionsunternehmen lenkt.

Die Mitarbeiter der Neue Halberg Guss freuen sich, dass Prevent Geschichte ist und endlich ein anderer Investor das Traditionsunternehmen lenkt.

Foto: BeckerBredel

Alle klatschen, stehen auf, jubeln, johlen. Da und dort sind in den Gesichtern Freudentränen zu sehen. Halberg Guss lebt – und wie! Den Kaufvertrag „haben wir um fünf vor zwölf unterschrieben – nach 28 Stunden Verhandlung“, sagt Frank Günther, Geschäftsführer des neuen Eigentümers One Square Advisors, einer Münchener Beratungsgesellschaft, die auf Sanierungen spezialisiert ist. Die langen elf Monate der Sorgen und Leiden, nachdem die Prevent-Gruppe eingestiegen war, sind vorbei. Nur ein paar Formalitäten fehlen noch. Die Eintragung des neuen Besitzers im Grundbuch. Das soll aber möglichst in zehn Tagen über die Bühne gehen, sagt Günther.

Der erfahrene Manager ist ergriffen von der Stimmung auf der Betriebsversammlung in der Brebacher Turnhalle. Er und sein Team werden als Retter gefeiert. „Das letzte Mal war ich so gerührt, als meine Tochter die Mittlere Reife geschafft hat“, sagt Günther. Alle Mitarbeiter will der Investor erst einmal übernehmen, und beide Standorte, Saarbrücken und Leipzig, sollen erhalten bleiben. Die Stammbelegschaft umfasst nach Prevent-Angaben 1220 Beschäftigte in Saarbrücken und 580 in Leipzig. Sie alle werden aufatmen. Prevent hatte gerade 228 Kündigungen in Saarbrücken vorbereitet, als ersten Schritt eines noch größeren Stellenabbaus, und das Werk in Leipzig sollte im März ganz schließen. Jetzt sind ganz andere Ankündigungen zu hören. „Ich warne Sie vor, es kann auch über die Weihnachtszeit kräftig Arbeit geben“, sagt Thomas Meichsner, einer der zwei neuen Geschäftsführer für die beiden Standorte der Gießerei. Er macht Mut. Hier sei ein „super Team“, und mit ihm werde „der Wiederstart gelingen“.

Fotos der Betriebsversammlung der Neuen Halberg Guss in Brebach
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Betriebsversammlung der Neuen Halberg Guss

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Foto: BeckerBredel

Dass Günther und Meichsner als Vertreter eines neuen Besitzers auf dem Podium sitzen, liegt nicht nur an ihrem Kaufinteresse und Verhandlungsgeschick. Ohne Belegschaft, Betriebsrat und IG Metall wäre der Eigentümerwechsel nicht gelungen, sagt Günther. Patrick Selzer, zweiter Bevollmächtigter der IG Metall Saarbrücken, greift das auf: „Dass wir an diesen Punkt gekommen sind, ist Euch und Eurem Betriebsrat zu verdanken“, lobt er. „Ich bin glücklich und stolz, weil ich weiß, welch hohes Risiko wir alle eingegangen sind. Denn mit der Truppe, mit der wir es zu tun hatten, war uns klar, gibt es keine Zukunft.“ Schließlich hatte die IG Metall unter anderem mit einem wochenlangen Streik Widerstand gegen Prevent geleistet. Dass man jetzt gemeinsam die Zukunft angehen will, bekräftigt die Belegschaft mehrfach mit dem Ruf: „Wir sind Halberger!“

Die bedrückende Prevent-Zeit wollen die neuen Eigentümer schnell hinter sich lassen. „Wir haben uns entschieden, das Unternehmen umzubenennen“, sagt Günther. Avir Guss Holding soll eine neue Dachgesellschaft heißen. Sie soll die Saarbrücker Gusswerke GmbH und die Leipziger Gusswerke GmbH umfassen. Prevent hatte die Kunden massiv unter Druck gesetzt – durch massive Preiserhöhungen und im Fall von Volkswagen auch mit Lieferstopps. Und VW, früher Abnehmer von mehr als der Hälfte der Produkte von Halberg Guss, wollte nichts mehr mit der Prevent-Gruppe zu tun haben, die den Wolfsburger Konzern seit Jahren mit Lieferstopps erpresst hatte.

 Thomas Meichsner, künftiger Geschäftsführer der Saarbrücker und Leipziger Gusswerke.

Thomas Meichsner, künftiger Geschäftsführer der Saarbrücker und Leipziger Gusswerke.

Foto: BeckerBredel

Jetzt soll alles anders werden. Das große Ziel lautet: „nachhaltig wettbewerbsfähig werden“, sagt Günther. In einem bis 2023 angelegten Sanierungskonzept soll dies erreicht werden. Es sieht Investitionen in zweistelliger Millionenhöhe vor. Eine wesentliche Voraussetzung für die Umsetzung ist offenbar erfüllt: „Wir haben das Vertrauen der Automobilhersteller.“ Sie hätten den Eigentümerwechsel unterstützt. Alle bisherigen Kunden seien dabei: VW, Opel, GM, Deutz. Mit fast allen sei man sich einig über Volumen der Aufträge und Preise. Doch einfach werde es nicht. Denn die von Prevent so aggressiv behandelten Kunden haben sich zum Teil an andere Zulieferer gebunden. Darüber hinaus spielt die Entwicklung in der Automobilbranche den Sanierern nicht in die Hände. Der rückläufige Verkauf von Diesel­autos und der Trend zu alternativen Antrieben dämpfen die Nachfrage nach Motorblöcken. Daher stimmt Günther die Belegschaft auf schwierige Zeiten ein und deutet „Kapazitätsanpassungen“ an, will heißen, den Abbau von Stellen, das aber in Absprache mit der Gewerkschaft IG Metall und dem Betriebsrat. Der Ton ist eben ein ganz anderer als zuvor. Und Günther macht klar: „Wir werden alles tun, möglichst viele Arbeitsplätze zu erhalten.“

 Frank Günther, Geschäftsführer von One Square Advisors.

Frank Günther, Geschäftsführer von One Square Advisors.

Foto: BeckerBredel

Das ist auch das Ziel der Landesregierung. Sie bekräftigt ihre Zusage zur Unterstützung unter anderem mit Millionen-Bürgschaften. Voraussetzung dafür sei aber ein Gutachten, das die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens belegt, sagt Wirtschaftsstaatssekretär Jürgen Barke (SPD). Damit soll in der kommenden Woche begonnen werden, kündigt Günther an. Barke stellt insgesamt 50 Millionen Euro an Bürgschaften in Aussicht, die zum größten Teil der Bund, zum kleineren die beiden Bundesländer Saarland und Sachsen bereitstellen sollen. Darüber hinaus könnten zehn Millionen Euro über eine sogenanntes Sale-and-lease-back-Verfahren aufgebracht werden. Dabei würden zum Beispiel Immobilien an das Land verkauft und zurückgemietet. Zur weiteren Absicherung strebt das Land an, dass ihm 25,1 Prozent der Geschäftsanteile verpfändet werden, sagt Barke. So könne sich das Land Mitspracherechte sichern. Dieses Signal der Unterstützung sei für One Square Advisors wichtig gewesen, um die Kaufpläne durchzuziehen, ist Barke überzeugt. Mit anderen Worten: Ohne die Zusagen der Landesregierung hätten die Mitarbeiter vielleicht nicht jubeln können.

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