Mehr als die Hälfte der Pariser wünscht sich Flaniermeile ohne Autos

Paris · Der Pariser Stadtrat soll am Montag die Sperrung des rechten Seine-Ufers für den Autoverkehr beschließen. Doch Experten warnen davor, dass die Luftverschmutzung dadurch nicht wie erwartet zurückgeht.

Blaue Sonnenschirme, feiner Sand und Kübelpalmen: So sah es im Juli und August entlang der Seine in Paris aus. Jedes Jahr ist das rechte Seine-Ufer im Sommer vier Wochen lang für den Autoverkehr gesperrt, damit Pariser und Touristen das Strandleben von "Paris Plages" genießen können. Doch in diesem Jahr geht das Urlaubsfeeling auch nach dem Abbau der Liegestühle weiter: Am Montag dürfte der Stadtrat von Paris die Stilllegung der Uferstraße Georges Pompidou auf 3,3 Kilometer Länge ab den Tuilerien beschließen. Eine Entscheidung, die die Bewohner der französischen Hauptstadt spaltet. Nur 55 Prozent sind laut einer am Freitag veröffentlichten Umfrage dafür, bis zu 43 000 Fahrzeuge täglich von diesem Abschnitt zu verbannen und stattdessen Fußgängern und Radfahrern den Asphalt zu überlassen.

"Man muss endlich in Paris wieder atmen können", fordert eine zweifache Mutter aus dem Norden von Paris , die das Vorzeigeprojekt von Bürgermeisterin Anne Hidalgo gutheißt.

Die Luftverschmutzung ist vor allem bei schönem Wetter sichtbar, wenn eine grau-gelbe Dunstglocke den Eiffelturm umhüllt. Autos, die vor 1997 zugelassen wurden, dürfen deshalb seit 1. Juli nicht mehr in die Innenstadt fahren. Doch die Pläne zur Stilllegung des rechten Seine-Ufers sind umstritten: Eine Untersuchungskommission hatte im August davon abgeraten. "Es sieht so aus, als könne das Ziel einer Verringerung der Luftverschmutzung nicht durch die Umsetzung des Projektes erreicht werden", schrieben die Experten . Stattdessen litten andere Stadtbezirke, die drei Viertel des umgeleiteten Autoverkehrs dann aufnehmen müssten.

Die Staus durch den Ausweichverkehr verursachten außerdem nur noch mehr Abgase. Valérie Pecresse, die konservative Präsidentin der Region Ile de France rund um Paris , warnte vor den Konsequenzen der Sperrung bis in die Vorstädte hinein.

Protest der Pendler

Vor allem die Unternehmer aus dem Umland beschweren sich über die Maßnahme, die ihnen die beruflichen Fahrten nach Paris erschwert. "Alternativen zum Auto zu suchen ist sehr gut. Doch man muss sie erst umsetzen, bevor man die Seine-Straße schließt. Paris will das Gegenteil tun", kritisiert Philippe Bailly in der Zeitung "Le Parisien". Der Chef einer Beratungsfirma aus Boulogne startete eine Petition auf der Plattform change.org, der sich innerhalb einer Woche mehr als 2000 Menschen anschlossen. Die Unterzeichner werfen Hidalgo vor, die Sperrung des rechten Seine-Ufers eigenmächtig beschlossen zu haben, ohne die Pariser und die Bewohner des Großraums zu befragen. Gerade die schlechter gestellten Vorstadtbewohner pendeln täglich ins Zentrum von Paris und sind dabei auf ihr Auto angewiesen.

Hidalgo hält trotz aller Kritik an ihren Plänen fest, für die Polizeipräfekt Michel Cadot zunächst eine sechs Monate lange Testphase genehmigte. Die Sozialistin, die mit den Grünen regiert, spricht von einer "entscheidenden Etappe gegen die Luftverschmutzung und für die Nutzung des Flusses für die Pariser." Vom linken Seine-Ufer, das wie sein Nachbar auf der rechten Seite zum UNESCO-Weltkulturerbe gehört, sind Autos schon seit drei Jahren verbannt. Auf gut zwei Kilometern zwischen dem Musée d'Orsay und dem Eiffelturm sind dort stattdessen Bars und Restaurants entstanden. Außerdem haben Jogger und Skater die Strecke erobert, die asphaltiert geblieben ist. "Es ist eine gute Idee, die Straßen entlang der Seine den Fußgängern zurückzugeben", sagt ein Pariser, der jeden Tag dort entlanggeht. "Mir fehlt dahinter allerdings ein Konzept, das ganz Paris zu einer grüneren Stadt machen soll, denn hier ist alles grau geblieben."

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