Maas' Mittelweg im Datendschungel

Berlin · Nun also doch. Nach langen Kämpfen einigt sich Schwarz-Rot auf eine Rückkehr zur umstrittenen Vorratsdatenspeicherung. Für Justizminister Maas ist das bitter. Er hatte sich lange gegen das Gesetz gesträubt.

"Heiko Maas hat wirklich hervorragende Arbeit geleistet." Unter Kennern wirkte dieser Satz von Sigmar Gabriel gestern wie der pure Hohn. Denn der SPD-Chef hatte den sich mächtig sträubenden sozialdemokratischen Justizminister mit öffentlichen Äußerungen im Januar erst dazu gebracht, sich auf einen Kompromiss bei der Vorratsdatenspeicherung einzulassen. Wohl oder übel legte Maas nun unter lautem Lob Gabriels einen Entwurf vor, den er zuvor mit Innenminister Thomas de Maizière (CDU ) ausgehandelt hatte. Der jahrelange Streit um das Thema ist damit wahrscheinlich endgültig vom Tisch.

Bisher hatte Maas einen nationalen Alleingang Deutschlands in dieser Frage stets abgelehnt und erklärt, er wolle auf eine neue EU-Richtlinie warten. Die alte war vor einem Jahr vom Europäischen Gerichtshof als Verstoß gegen Grundrechte für ungültig erklärt worden. Genau wie 2010 ein Gesetz der damaligen großen Koalition vom Bundesverfassungsgericht verworfen wurde. Seine Kehrtwende begründete der Minister gestern damit, dass jetzt klar sei, dass Brüssel eine neue Vorlage nicht mehr liefern werde.

Im Koalitionsvertrag war nur versprochen worden, die (alte) EU-Richtlinie umzusetzen, was die Union stets als ein prinzipielles Ja zur Vorratsdatenspeicherung interpretiert hatte. Allerdings musste auch sie beim jetzigen Kompromiss Federn lassen. Maas kann immerhin argumentieren, einen Parteitagsbeschluss der SPD zur Vorratsdatenspeicherung nicht nur eingehalten, sondern sogar überboten zu haben. So müssen die Provider künftig Verbindungsdaten von Telefongesprächen (Zeitpunkt, Dauer und Rufnummer) und aufgerufene Internetseiten (IP-Adressen) zehn Wochen lang speichern. Nach der EU-Richtlinie hätte die Aufbewahrungsfrist zwei Jahre betragen, der alte deutsche Gesetzentwurf hatte sechs Monate vorgesehen und die SPD schließlich eine Verkürzung auf drei Monate verlangt. Der Mailverkehr ist tabu. Auch die Kommunikation per Facebook oder Whatsapp dürfte nicht berührt sein, hier stehen die Server im Ausland.

Zugriff auf die Daten gibt es nur auf richterlichen Beschluss und nur zur Verfolgung schwerer Straftaten wie Terror, Bandenkriminalität oder Kinderpornographie. Damit ist klar, dass die Vorratsdatenspeicherung eher im Nachhinein greifen wird und zum Beispiel Anschläge kaum verhindern kann. Allerdings sollen die Bundesländer die Möglichkeit haben, das Mittel mit eigenen Gesetzen auch stärker zur "Gefahrenabwehr" einzusetzen. Telefonseelsorger und ähnliche Beratungseinrichtungen sollen schon seitens der Provider von vornherein von der Erfassung ausgenommen werden. Bei Menschen, die unter das Zeugnisverweigerungsrecht fallen wie Ärzte, Rechtsanwälte oder Journalisten dürfen die Daten nicht abgerufen werden. Das gilt auch für alle Geistlichen.

Maas bezeichnete die Leitlinien als "ausgewogenen Mittelweg", de Maizière sprach von einem "fachlich und politisch klugen Kompromiss". Im Kern bedeutet der Entwurf, dass die Verbindungsdaten aller Bürger zwar unter großen Einschränkungen, aber dennoch ohne Anlass, also ohne Verdacht, gespeichert werden müssen.

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