Wahlkampf „Lieber wir als die Blau-Braunen“

Saarbrücken · Der FDP-Vize Wolfgang Kubicki grenzt sich bei seinem Wahlkampfauftritt in Saarbrücken von den Rechtspopulisten ab.

 Mit der AfD ging er hart ins Gericht: Der stellvertretende FDP Bundesvorsitzende, Wolfgang Kubicki, sprach gestern Abend bei der Endspurtveranstaltung der Saar-FDP in Saarbrücken.

Mit der AfD ging er hart ins Gericht: Der stellvertretende FDP Bundesvorsitzende, Wolfgang Kubicki, sprach gestern Abend bei der Endspurtveranstaltung der Saar-FDP in Saarbrücken.

Foto: BeckerBredel

Sein Flieger ist pünktlich. Direkt aus Kiel. Danach muss Wolfgang Kubicki wieder los. In diesen Tagen hat der stellvertretende Bundesvorsitzende der Liberalen viel zu tun. Weiß er denn noch, wo er sich gerade befindet? „Ja, im Saarland.“ Diesmal liegt er richtig. Bei einer früheren Gelegenheit habe er das Saarland mal mit Sachsen verwechselt. „Um die Aufmerksamkeit des Publikums zu prüfen“, scherzt Kubicki im Vorfeld seiner Rede, die er in den nächsten Minuten vor etwa 250 Anwesenden im Tagungsraum von Saarrondo, an der Saarbrücker Europaallee, halten wird. Gut gelaunt. „Jamaika“ scheint ihm in Kiel wohl zu bekommen. Und auf Bundesebene? Er zuckt kurz zusammen. „Hm. Eher schwierig.“

Um Koalitionen geht es Kubicki an diesem Donnerstagabend ohnehin nicht. Vielmehr darum, weshalb die FDP es verdient habe, am Sonntag drittstärkste Kraft zu werden. Und da grenzt man sich ab. Zunächst von den Sozialdemokraten: „Die SPD braucht nicht mehr Zeit für Gerechtigkeit. Die hatten dafür 15 Jahre! Und was haben sie gemacht?“ Dann ist der Koalitionspartner dran, der aktuelle in Kiel und mögliche im Bund. Die Grünen hätten die FDP als „Menschenfeinde und Diktatorenversteher“ beschimpft. Aber würden selbst keine WM in Russland verhindern wollen. Und dann wollten sie den Bürgern auch noch die Schokolade und das Fleisch vermiesen. Die Zigaretten und den Alkohol. „Wir wollen uns nicht bevormunden lassen! Der Mensch hat ein Recht auf Unvernunft!“ Jeder solle selbst über sein Schicksal entscheiden dürfen. Dafür stünden die Liberalen. „Ich bin kein Raucher, aber wenn Rauchen verboten wird, dann werde ich damit anfangen!“

Immerhin: Bei den Bauprojekten in Kiel habe sich gezeigt, dass „selbst die Grünen“ lernfähig seien. Dank dem „pädagogischen Einfluss“ der Liberalen. Die sanfteren Töne wiegt Kubicki dann gleich auf mit einer scharfen Attacke auf den Bundeskanzleramtschef: „Altmaiers Aufruf an die Wähler, lieber zu Hause zu bleiben, als eine bestimmte Partei zu wählen, ist demokratiefeindlich.“ Mit „zehn oder zwölf Prozent Durchgeknallten“ werde Deutschland schon fertig. Was das Land gewiss nicht brauche, sei der Sanierungsstau von 34 Milliarden Euro an Schulen. Deshalb sei es an der Zeit, das Kooperationsverbot aufzuheben. An einem Gymnasium in Bremen habe er heruntergefallene Tafeln gesehen. Der eigentliche Skandal für die Liberalen: „Dass wir überhaupt noch Tafeln da hängen haben!“ Stichwort Digitalisierung. Nur zehn Prozent der Schulen seien auf dem neusten Stand. Deutschland belege in Europa Platz neun hinter Rumänien. „Die Welt wartet nicht auf uns!“

Fortschritt bedeute auch, die Unterschiedlichkeit der Menschen anzuerkennen. Neulich habe er mit seinen „zwei linken Händen“ versucht, einen Fernsehapparat einzurichten. „Der Blick meiner Frau war irgendwas zwischen Mitleid und Verachtung.“ Seine akademischen Titel hätten ihm nichts genützt. Der Techniker habe die vermeintliche Herkulesaufgabe dagegen im Nu gemeistert. „Schluss mit dem Akademisierungswahn!“ Der bringe das Land ebenso wenig weiter wie der Neid auf das Gehalt von Tom Buhrow. „Wenn man sich für seinen Erfolg rechtfertigen muss, dann stimmt etwas nicht.“ So gingen dem Land nur die Unternehmer aus. Und eine „vernünftige Wirtschaft“ sei schließlich auch die Basis für eine sichere Rente. Auf private Altersvorsorge komme es an. „Die beste Garantie gegen Altersarmut ist das Eigenheim.“ Deshalb fordere die FDP einen Freibetrag bei der Grunderwerbsteuer. Deshalb wolle sie keinen Soli mehr und keine kalte Progression. „Und kein starres Renteneintrittsalter!“

Kubickis letztes Plädoyer: für ein Einwanderungsgesetz. Deutschland müsse da klare Kriterien festlegen. Leider wehre sich die CDU seit 1996 dagegen. Der letzte große Applaus.

„Wer hätte das gedacht?“ Die FDP nun in Umfragen bei neun Prozent. Die FDP sei nun standhafter als noch vor acht Jahren. Regierungsbeteiligung sei kein Selbstzweck. Bevor man sich verbiege, gehe man eher in die Opposition. „Lieber wir als die Blau-Braunen!“ Der Ton wird ernst. Ein Mahnruf. Die AfD dürfe bloß nicht drittstärkste Kraft werden. Sie zeichne ein Zerrbild von Deutschland. „Ich will nicht, dass meine Enkelkinder sich für unser Land schämen müssen.“

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