Lange Gesichter bei Rentnern im Westen

Mit einer kräftigen Rentenerhöhung im Osten war zu rechnen. Dass der Aufschlag aber um das Dreizehnfache höher als im Westen ausfällt, das überraschte schon. Die Sensation war perfekt. Positiv oder negativ, je nach Himmelsrichtung. Satte 3,29 Prozent mehr im Osten stehen gegen mickrige 0,25 Prozent im Westen

Mit einer kräftigen Rentenerhöhung im Osten war zu rechnen. Dass der Aufschlag aber um das Dreizehnfache höher als im Westen ausfällt, das überraschte schon. Die Sensation war perfekt. Positiv oder negativ, je nach Himmelsrichtung. Satte 3,29 Prozent mehr im Osten stehen gegen mickrige 0,25 Prozent im Westen.Die Enttäuschten werden auf 2014 vertröstet: Da zeichne sich "ein spürbares Plus ab", versucht Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) den Gebeutelten Hoffnung zu machen. Die positive Seite der Medaille ist: Mit dem ansehnlichen Plus schließt sich die Rentenlücke zwischen Ost und West nach längerer Pause erstmals wieder um ein beträchtliches Stück. Hinkten die Ost-Renten bislang um 11,2 Prozent dem Westniveau hinterher, sind es vom 1. Juli an "nur" noch 8,5 Prozent. Aus Ministeriums-Sicht kommt damit die Angleichung der Renten in Ost und West "einen wichtigen Schritt voran". Vollzogen ist sie damit aber noch immer nicht.

Die Enttäuschung über die Mini-Erhöhung im Westen könnte bis zur Bundestagswahl im Herbst anhalten und dann speziell der CDU auf die Füße fallen. Die muss - wird hinter vorgehaltener Hand eingeräumt - fürchten, dass sich die Westrentner abwenden. Bei Bundestagswahlen sind die bislang für die Christdemokraten immer eine sichere Bank. Den Strategen ist klar: Über das Plus im Osten freuen sich rund vier Millionen Rentner. Die Zahl derer, die im Westen lange Gesichter machen, ist aber vier Mal höher.

Erwartet worden war eine Rentenerhöhung in der Größenordnung von einem Prozent im Westen und von drei Prozent im Osten. Dass die Anpassung dann doch noch stärker auseinanderfiel, ist auch für Spezialisten kaum nachvollziehbar. Da wurden Lohnentwicklungen hin- und hergerechnet - und am Ende mit rentendämpfenden und rentensteigernden Faktoren kombiniert. Transparent ist das nicht. Für die Westrentner kam dabei eine bescheidene Erhöhung um 0,5 Prozent heraus. Doch selbst die wird es so nicht geben: Der Wert wurde halbiert, denn es war ja noch der Ausgleichsbedarf aus der Rentenschutzklausel zu berücksichtigen. Da greift sich selbst in der schwarz-gelben Koalition mancher an den Kopf: "Die Rentenanpassung ist mittlerweile völlig mit Berechnungs- und Verrechnungsformeln überlagert", kritisiert der Rentenexperte der Unions-Bundestagsfraktion, Peter Weiß (CDU). Er macht sich dafür stark, die Rentenformel in der nächsten Legislatur zu reformieren und zu vereinfachen und sie wieder direkter an die Lohn- und Gehaltsentwicklung zu koppeln. "Jeder soll verstehen können, wie die Renten zustande kommen und wie die jeweilige Anpassung verläuft."

Stark in Ost und West voneinander abweichende Rentenerhöhungen waren früher nicht ungewöhnlich - jedenfalls unmittelbar nach der Wiedervereinigung und bis Ende der 90er-Jahre. Da kam es vor, dass die Renten im Osten in zwei Schritten um mehr als 20 Prozent angehoben wurden, im Westen dagegen "nur" um 4,36 Prozent. Damals hinkten die Renten im Osten allerdings noch gewaltig hinterher.

Mit der höchsten Rentenerhöhung seit vier Jahren brechen selbst im Osten keine "goldenen Zeiten" für die Ruheständler an. Seit Anfang 2000 haben die Renten dort laut Bundesregierung durch Inflation knapp 22 Prozent verloren. Im Westen waren es 17 Prozent. Die Erhöhung im Osten ist nachträglich also kaum mehr als ein Trostpflaster. Die West-Rentner bekommen selbst das nicht. Sie müssen erneut einen Kaufkraftverlust hinnehmen.

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