Länder wieder am "goldenen Zügel"

Berlin. Am Ende wurde es noch einmal politisch brenzlig. Bei den Abschlussberatungen der Föderalismuskommission am Donnerstagabend stellte die SPD das ganze Paket zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen infrage

Berlin. Am Ende wurde es noch einmal politisch brenzlig. Bei den Abschlussberatungen der Föderalismuskommission am Donnerstagabend stellte die SPD das ganze Paket zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen infrage. Nahezu ultimativ verlangte sie, dass das "Kooperationsverbot" aus der ersten Stufe der Föderalismusreform für bestimmte Vorhaben des Bundes in Ländern und Gemeinden fallen müsse. Demnach darf der Bund keine Finanzhilfen etwa für die Renovierung von Schulen geben, weil für den Bildungsbereich nur die Länder zuständig sind.

Vor allem die unionsgeführten Bundesländer hatten noch vor drei Jahren die Kappung dieses "goldenen Zügels" des Bundes im Grundgesetz durchgesetzt. Jetzt mussten sie einer - wenn auch kleinen - Rolle rückwärts zustimmen. Zu offensichtlich zeigte sich der Widersinn dieser Kooperationsbremse zwischen Bund und Ländern bei dem jüngsten Konjunkturpaket.

So darf der Bund derzeit bei seinen Millionen-Hilfen zur Ankurbelung der Investitionen in den Gemeinden offiziell zwar etwa Energie-Sparmaßnahmen finanzieren, nicht aber die Anschaffung von neuen Tafeln oder anderen Hilfsmitteln für den Unterricht, argumentierten die Kritiker. Viele Gemeinden und Schulen haben zwar inzwischen Wege zur Umgehung dieser Verfassungsvorgabe gefunden. Die Verunsicherung aber blieb.

Der nun gefundene Kompromiss lautet: In außergewöhnlichen Notsituationen wie bei der derzeitigen Wirtschaftskrise darf der Bund künftig den Ländern und Kommunen Geld geben für Projekte, die eigentlich Ländersache sind. Die oft auftretenden Folgekosten - etwa beim zusätzlichen Personal - bleiben bei den Ländern. Das ärgert diese weiter.

Mit der Überwindung dieser letzte Hürde ist der Weg für die neue "Schuldenbremse" frei. Sie verursacht im Regierungslager vor allem bei der SPD-Linken Bauchschmerzen, weil damit staatliche Spielräume für politisches Handeln eingeschränkt werde. Die Schuldenberge sind derzeit so hoch, dass es Jahrzehnte dauern dürfte, bis Bund und Länder wieder aus den Vollen schöpfen können.

Per Grundgesetz werden die Länder jetzt verpflichtet, von 2020 an in konjunkturell normalen Zeiten keine neuen Schulden mehr aufzunehmen. Der Bund erhält eng begrenzte Schuldenspielräume. Ärmere Länder wie Bremen, das Saarland und Schleswig-Holstein erhalten Sonderzahlungen, um aus der Schuldenfalle immer neuer Kreditaufnahmen zur Bezahlung hoher Altschulden herauskommen zu können.

Vor allem der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU, Foto: dpa) und SPD-Fraktionschef Peter Struck (Foto: ddp), die beiden Vorsitzenden der Föderalismuskommission, atmeten am Donnerstagabend am Ende zweijähriger Beratungen auf. "Es war eine mühselige Arbeit", sagte Oettinger. Struck freute sich vor allem, dass er der Union bei der künftigen Bund-Länder-Kooperation Zusagen abringen konnte.

Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller bekräftigte, dass das Saarland die Schuldenbremse einhalten will. Denn andere Länder, die höhere Zinslasten hätten und keine Hilfen erhielten, hätten sich ebenfalls auf das Ziel ausgeglichener Haushalte verpflichtet. Mit den beiden Föderalismusreformen der großen Koalition sei die Diskussion um den Föderalismus zwar noch nicht zu Ende, bilanzierte Müller. "Aber wir sind ein gutes Stück vorangekommen." Energisch widersprach der saarländische Ministerpräsident Überlegungen zur Länderneugliederung, soweit sie das Saarland betreffen. Keines der Probleme des Saarlandes würde durch eine Fusion gelöst, auch das Schuldenproblem nicht. Außerdem würde man zu einem "fünften Rad am Wagen". "Deshalb kann niemand, dem am Saarland liegt, für die Auflösung des Landes sein", erklärte Müller weiter.

Das Föderalismus-Paket darf nun nicht mehr aufgeschnürt werden. Darin waren sich die Großkoalitionäre einig. Die FDP hat Zustimmung signalisiert. Grüne und Linke werden ablehnen. Die umfassendste Finanzreform seit Jahrzehnten dürfte damit bis zum Juni Bundestag und Bundesrat passieren. Eines der größten Vorhaben dieser Legislaturperiode ist dann auch abgehakt.

Meinung

Ein Hoch dem föderalen Trallala

Von SZ-Korrespondent

Werner Kolhoff

In der ersten Welle der Föderalismusreform 2006 wurden Landes- und Bundesgesetzgebung entflochten. Die Verantwortlichkeiten sind nun klarer. In der zweiten Welle wurde nun eine ziemlich harte Schuldenbremse vereinbart. Das ist eine Jahrhundertentscheidung, selbst wenn man derzeit noch Rekordschulden macht.

Natürlich sorgen diese Reformen noch nicht für die ganz schnellen Entscheidungsprozesse. Aber wozu auch? Ein starker Föderalismus entspricht unserem regional gegliederten Gemeinwesen viel mehr als das glatt gestylte Durchregieren von Zentralstaaten. Er macht Deutschland stabiler. Es bleibt also beim föderalen Trallala, das den Deutschen viele quälende Debatten, aber auch manche pittoreske Geschichte beschert, von Koalitionsdramen in Hessen bis zu Dolchstoßlegenden in Bayern.

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