Kurdenführer Öcalan gibt sich plötzlich friedlich

Istanbul. Alican Ebedinoglu hat schon viel Auf und Ab im Kurdenkonflikt gesehen, aber an diesem Donnerstag ist alles anders. Noch nie habe er so große Hoffnung gehabt, sagt der Chef der Handwerkervereinigung in der südostanatolischen Stadt Diyarbakir dem türkischen Nachrichtensender NTV

Istanbul. Alican Ebedinoglu hat schon viel Auf und Ab im Kurdenkonflikt gesehen, aber an diesem Donnerstag ist alles anders. Noch nie habe er so große Hoffnung gehabt, sagt der Chef der Handwerkervereinigung in der südostanatolischen Stadt Diyarbakir dem türkischen Nachrichtensender NTV. Gerade eben hat der kurdische Rebellenchef Abdullah Öcalan aus seiner Gefängniszelle heraus den Frieden mit dem türkischen Staat ausgerufen. Die PKK soll die Waffen niederlegen und sich aus der Türkei zurückziehen.Öcalan verhandelt seit Ende 2012 auf der Gefängnisinsel Imrali mit dem türkischen Geheimdienst MIT über ein Ende des bewaffneten Kurdenkonfliktes, der 1984 mit dem Aufstand der PKK begann. Nach zahllosen Gefechten und Anschlägen mit insgesamt mehr als 40 000 Toten sollen die Waffen schweigen. Presseberichten zufolge will die PKK nach einem Rückzug aus der Türkei in den benachbarten Norden Iraks ihre Waffen endgültig niederlegen.

Vor mehreren hunderttausend Menschen bei der Kundgebung zum Kurdischen Neujahrsfest in Diyarbakir verlesen kurdische Parlamentsabgeordnete die Erklärung Öcalans - auf Kurdisch, das wäre früher undenkbar gewesen. In den vergangenen Wochen war sogar über eine Videobotschaft des PKK-Chefs spekuliert worden, aber so viel Öffentlichkeit wollte Ankara dem Rebellenführer offenbar doch nicht gönnen.

Das Zeitalter des bewaffneten Kampfes sei vorbei, erklärte Öcalan. Nun beginne die Ära der Politik und des demokratischen Kampfes um mehr Rechte für die Kurden. Gemeinsam könnten Türken und Kurden eine neue Demokratie errichten. Mehrfach rief Öcalan, der vor drei Jahrzehnten mit dem Ziel eines eigenen Kurdenstaates seinen Kampf gegen Ankara begann, zur Einheit von Türken und Kurden auf.

Schon in den vergangenen Wochen hatte die PKK angekündigt, sie werde den Befehlen ihres inhaftierten Anführers folgen. Die türkische Regierung will die aus der Türkei abziehenden PKK-Verbände nicht angreifen, um den Friedensprozess nicht zu stören.

Die erste Stufe der Entspannung zwischen Kurden und türkischem Staat ist damit umrissen. Weniger klar ist, wie es danach weitergehen soll. Ankara erwartet einen endgültigen Gewaltverzicht der PKK mit einer Zerstörung der Rebellen-Waffen. Möglicherweise kann dies mit der Hilfe der kurdischen Autonomiebehörden im Norden des Iraks geschehen. Hochrangige Anführer der PKK sollen die Möglichkeit erhalten, ins Exil zu gehen. Ob sich ein Land findet, das die Berufs-Rebellen aufnehmen will, ist aber offen.

Unklar ist bisher auch, wie die Türkei die Waffenruhe der PKK politisch beantworten will. Die Rede ist von einer Absicherung der Minderheitenrechte in der neuen Verfassung, die derzeit von den Parteien im Parlament - unter Mitarbeit der Kurdenpartei BDP - erarbeitet wird.

Während in Diyarbakir Öcalans Aufruf verlesen wird, informiert Parlamentspräsident Cemil Cicek in Ankara Staatspräsident Abdullah Gül über den Stand der Verfassungsgespräche. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan kritisiert, dass in Diyarbakir keine einzige türkische Fahne zu sehen gewesen sei. Das widerspreche Öcalans Botschaft des Friedens. Er hoffe aber, dass die Türkei die Probleme überwinden werde.

Die Wahl der Fahnen dürfte nicht die einzige Meinungsverschiedenheit auf dem Weg zum Frieden sein. "Wir sind keine Romantiker, sondern Realisten", sagt Hüseyin Celik, Sprecher von Erdogans Regierungspartei AKP in Ankara. Aber ein wenig Hoffnung spricht auch aus seinen Worten.

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