Kurden in türkischen Gefängnissen hungern für Öcalan

Istanbul. In der Türkei spitzt sich ein potenziell tödlicher Streit um die Rolle des inhaftierten PKK-Anführers Abdullah Öcalan im Kurdenkonflikt zu. Ein Hungerstreik mehrerer hundert kurdischer Häftlinge in türkischen Gefängnissen bringt die Regierung in Ankara in Zugzwang. Rund 700 kurdische Inhaftierte verweigern teilweise seit mehr als sieben Wochen die Nahrung

 Öcalan ist seit 1999 in Haft. Foto: dpa

Öcalan ist seit 1999 in Haft. Foto: dpa

Istanbul. In der Türkei spitzt sich ein potenziell tödlicher Streit um die Rolle des inhaftierten PKK-Anführers Abdullah Öcalan im Kurdenkonflikt zu. Ein Hungerstreik mehrerer hundert kurdischer Häftlinge in türkischen Gefängnissen bringt die Regierung in Ankara in Zugzwang.Rund 700 kurdische Inhaftierte verweigern teilweise seit mehr als sieben Wochen die Nahrung. Sie fordern bessere Haftbedingungen für Öcalan und die Möglichkeit für den PKK-Chef, aus seiner Zelle heraus mit Anhängern und Öffentlichkeit in Kontakt zu treten. Prinzipiell ist Ankara bereit, Öcalan in neue Gespräche einzubinden. Die Regierung Erdogan will die Rolle Öcalans jedoch begrenzen und kontrollieren.

Gleichzeitig will Ankara aber auch verhindern, dass es bei dem seit mehr als sieben Wochen andauernden Hungerstreik Tote gibt, denn das würde die Wut der Kurden auf den Staat neu anfachen. Ein symbolischer Besuch von Kurdenpolitikern bei Öcalan könnte allen Beteiligten erst einmal Zeit verschaffen. Doch es ist offen, ob die türkischen Behörden das erlauben.

Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte kürzlich signalisiert, dass er zu neuen Friedensgesprächen mit Öcalan bereit ist. Ein erster Versuch, den seit 1984 andauernden Kurdenkonflikt mit der Hilfe von Geheimgesprächen zwischen dem Staat, Öcalan und Vertretern der PKK politisch zu lösen, war im vergangenen Jahr allerdings ergebnislos abgebrochen worden.

Öcalan ist trotz seiner langen Inhaftierung seit 1999 für viele Kurden noch immer ein Held; sein Wort hat nach wie vor großes Gewicht. Gerade deshalb unterbrach Ankara im vergangenen Jahr die Kontakte Öcalans mit der Öffentlichkeit: Die Regierung befürchtete, dass der PKK-Chef über seine Anwälte weiter Befehle an die Rebellen schickte.

Mehrere Dutzend Öcalan-Anwälte stehen deshalb inzwischen vor Gericht, andere Verteidiger des PKK-Chefs dürfen ihn nicht mehr auf der Gefängnisinsel Imrali bei Istanbul besuchen. Öcalans Bruder Mehmet war im vergangenen Monat der erste Besucher auf Imrali seit mehr als einem Jahr. Laut Mehmet Öcalan will der PKK-Chef an einer Friedenslösung mitwirken.

Die PKK und die ihr nahestehende legale Kurdenpartei BDP sprechen von einer inakzeptablen Isolationshaft für Öcalan. Auch die rund 700 Hungerstreikenden in den Gefängnissen verlangen, dass Öcalan wieder regelmäßige Besuche erhält. Justizminister Sadullah Ergin sagte nach einem Besuch in einer Haftanstalt diese Woche, die Regierung habe die Botschaft der Hungerstreikenden vernommen - deshalb sollten diese jetzt die gefährliche Aktion abbrechen. Nach Einschätzung der türkischen Ärztekammer besteht für einige Hungerstreikende inzwischen Lebensgefahr.

Aus Sicht des Anwalts Behic Asci, der 2006 selbst an einem Hungerstreik gegen Haftbedingungen teilnahm, ist die Lösung ganz einfach: Ankara müsse nur den Verwandten und Anwälten von Öcalan wieder erlauben, nach Imrali zu fahren. "Zwei Minuten reichen, um das Problem zu lösen", sagte Asci der Zeitung "Milliyet" vom Freitag.

Parlamentsabgeordnete der BDP trafen sich unterdessen mit Justizminister Ergin, der sich aber nicht festlegen wollte. Das letzte Wort habe Erdogan, meldete "Milliyet". Ob und wie sich der Regierungschef entschieden hat, blieb bislang offen. Das Anwaltsbüro Öcalans hatte Anfang der Woche einen neuen Besuchsantrag gestellt. Eine Antwort stand noch aus.

Hintergrund

Ministerpräsident Erdogan besucht Deutschland am Dienstag und Mittwoch. Dabei wird er die neue türkische Botschaft in Berlin einweihen und mit Kanzlerin Merkel über den EU-Beitritt der Türkei und die Lösung des Kurdenkonflikts sprechen. afp

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