"Krise bekämpft man mit mehr Arbeit"

Saarlouis. Wenn beim bayerischen Schwaben Ernst Prost die Worte "Quarterly Report", also Quartalsbericht, in tiefstem Süddeutsch herausbrechen, klingt das wie ein hässlicher Fluch. "Was soll diese Quartals-Hopserei?", schimpft er. "Mit solchen Minimal-Zeiträumen im Kopf kann man doch kein Geschäft entwickeln

Saarlouis. Wenn beim bayerischen Schwaben Ernst Prost die Worte "Quarterly Report", also Quartalsbericht, in tiefstem Süddeutsch herausbrechen, klingt das wie ein hässlicher Fluch. "Was soll diese Quartals-Hopserei?", schimpft er. "Mit solchen Minimal-Zeiträumen im Kopf kann man doch kein Geschäft entwickeln." Auch die an kurzfristigen Erfolgen ausgerichteten Boni, die Manager kassieren, sind für den Unternehmer ein Graus. "Diese Kerle treiben die Rendite hoch, damit der Bonus stimmt, und entlassen dafür Leute." Ernst Prost kann sich so richtig in Rage reden und im gleichen Augenblick wieder sanft werden. "Ein Unternehmen muss man streicheln, man muss es pflegen - und nicht ausnehmen", flüstert er fast.

Seiner eigenen Firma lässt er diese Pflege angedeihen - und verkündet es zurzeit großflächig. Seiten-Anzeigen in der "Bild"-Bundesausgabe, in der ADAC-Mitgliederpostille, in Zeitschriften und auflagenstarken Motorzeitungen - Kosten der Kampagne: mehr als eine Million Euro. Dort stehen Sätze wie: "Krisen bekämpft man nicht mit Kurzarbeit, sondern mit mehr Arbeit! Wir haben die Krise für uns beendet." Oder Slogans wie "Deutschland statt China" und "Arbeitsplätze statt Aktienkurs". Am Fuß der Seite sind einige Produkte aufgereiht, die die Firma von Ernst Prost herstellt und in mehr als 90 Länder verkauft. Es handelt sich um Motorenöle und Motor-Additive, Marke "Liqui Moly".

Der Großteil der Liqui-Moly-Öle wird im Saarlouiser Stadtteil Fraulautern nach eigenen Rezepturen gemischt und in Fässer, Liter-Kanister und Dosen abgefüllt - bei der 160 Jahre alten Firma Méguin. Mehr als 51 Millionen Kilogramm Motoren-, Getriebe- und Hydraulik-Öle sowie Schmierfette waren es im vergangenen Jahr. 2006 hat Liqui Moly das saarländische Unternehmen übernommen. Der Firmensitz und ein weiteres Werk sind in Ulm beheimatet.

In der Nähe von Ulm hat Prost vor einigen Jahren das Schloss Leipheim gekauft. Eine Ritterburg aus dem 11. Jahrhundert, damals eine Ruine, heute "eine gut erhaltene mittelalterliche Burganlage", heißt es in der Touristenwerbung. "Dort wohne, dusche, esse und schlafe ich", sagt der Schlossherr. "Und dann gehe ich wieder in meine Arbeit." 450 Mitarbeiter beschäftigt Liqui Moly, davon knapp 180 in Saarlouis. "Ich werde keinen meiner Mitarbeiter entlassen", verspricht er. "Lieber würde ich mein Schloss verkaufen. Denn das verdanke ich eigentlich der Arbeit meiner Leute." Und schimpft im gleichen Atemzug auf Familien-Unternehmer wie Maria-Elisabeth Schaeffler, "die Privat- und Firmenvermögen trennen, sich bei Konzern-Übernahmen verzocken und dann nach dem Staat rufen". "Wer hat denn das Privatvermögen der Dame im Pelz erarbeitet?", fragt er. "Das waren doch ihre Beschäftigten", schiebt er seine Antwort nach.

Ernst Prost war nach seiner Lehre als Kfz-Mechaniker selbst arbeitslos. "Das war eine furchtbare Erfahrung", erinnert sich der Sohn eines Maurers und einer Fabrikarbeiterin. Der 52-Jährige hat sich hochgearbeitet, verkaufte anfangs Autopflege-Mittel, später Liqui-Moly-Öle. Nach und nach hat er das Unternehmen von der Gründerfamilie Henle übernommen.

Die vergangenen sechs Monate waren auch für Liqui Moly kein Zuckerschlecken. Die Firma fuhr satte Verluste ein. Doch statt defensiv auf Kurzarbeit zu setzen, "sind wir in die Offensive gegangen, haben zusätzlich Vertriebsleute eingestellt, neue Produkte entwickelt, sind dorthin auf Messen gefahren, wo man uns noch nicht kennt - nach Vietnam zum Beispiel". Außerdem hat er die im Tarifvertrag vereinbarte Erhöhung der Löhne und Gehälter von 3,3 Prozent schon vollzogen: "Ich brauche motivierte Leute."

Der Lohn der Mühe: Seit Anfang April brummt es wieder in Saarlouis und Ulm. "Wir beschäftigen Leiharbeiter, fahren samstags Sonderschichten." "Hauen Sie rein, geben Sie Gas", motiviert er in E-Mails seine Führungsleute. Am Umsatzziel von 250 Millionen Euro für 2009 hält Ernst Prost fest - Krise hin, Krise her. Im vergangenen Jahr waren es 232 Millionen Euro.

In Saarlouis will er weiter investieren, Arbeitsplätze schaffen. In ein neues Tanklager im Dillinger Hafen fließen allein sechs Millionen Euro. Künftig soll das Öl per Schiff angefahren werden. Hinzu kommen mehr als zwei Millionen Euro für ein neues Verwaltungsgebäude und ein Logistik-Zentrum. Wenn Prost Millionen in sein Unternehmen steckt, haben Banken wenig zu verdienen. "Ich mache erst etwas, wenn ich das Geld dafür habe."

"Ich werde keinen meiner Mitarbeiter entlassen.

Lieber würde ich mein Schloss verkaufen."

Unternehmer Ernst Prost

 Im Saarlouiser Labor von Liqui Moly tüfteln Chemiker und Chemie-Laboranten an Rezepturen für neue Motorenöle. Fotos: Ruppenthal

Im Saarlouiser Labor von Liqui Moly tüfteln Chemiker und Chemie-Laboranten an Rezepturen für neue Motorenöle. Fotos: Ruppenthal

 51 Millionen Kilogramm Motoren-, Getriebe- und Hydraulik-Öle werden jedes Jahr abgefüllt - unter anderem in solche Kanister.

51 Millionen Kilogramm Motoren-, Getriebe- und Hydraulik-Öle werden jedes Jahr abgefüllt - unter anderem in solche Kanister.

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