Kommentar zur Reportage-Affäre beim Spiegel Journalismus braucht Vertrauen und Skepsis

Bilder können lügen. Man merkt das, wenn der Lichtkegel einer Kamera die Menschen in einer Menge verändert: plötzlich Euphorie, Empörung; Jubel. Kaum ein Bild im TV ist wirklich authentisch.

Kommentar zur Affäre um Relotius beim Spiegel
Foto: SZ/Robby Lorenz

Die Kamera manipuliert die Realität. Manches ist schlicht inszeniert: Das nachdenkliche Blättern des Interviewten vor dem TV-Gespräch, die Gewehrsalve im Bürgerkrieg.

Auch schreibende Reporter arbeiten mit Bildern. Sie lassen sie im Kopf der Leser entstehen. Ihre Schilderungen kommen der Realität dennoch oft näher als TV-Bilder – wenn sie auf geduldiger, zurückhaltender Beobachtung beruhen. Und: wenn sie wahrhaftig sind.

Der Spiegelreporter Claas Relotius hat gegen die letzte Bedingung eklatant verstoßen. Er hat so eine ganze Branche in Verruf gebracht. Vor allem ein Magazin, dessen Kultur des Fakten-Checks legendär ist. Wahr ist aber auch: Er handelte  geschickt und mit krimineller Energie. Und er  wurde ertappt – von einem Reporter. Es wäre daher nicht nur ungerecht, sondern fatal, geriete das Genre der geschriebenen Reportage auf Dauer in Misskredit. Keines kommt dem Leben näher. Aber weiter gilt: Journalismus, unabhängig vom Medium, beruht auf Vertrauen. Und auf einem gesunden Maß an Skepsis.

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