Kramp-Karrenbauer Köllertalerin. Krisenmanagerin. Kanzler-Erbin?

Saarbrücken/Berlin · Seit 2011 regiert Annegret Kramp-Karrenbauer das Saarland. Bis heute. Von jetzt an steht sie nur noch im Dienst der Bundespartei. In die trat sie im Jahr 1981 ein. Ein Rückblick.

 Annegret Kramp-Karrenbauer und ihr damaliger politischer Mentor, Ministerpräsident Peter Müller.

Annegret Kramp-Karrenbauer und ihr damaliger politischer Mentor, Ministerpräsident Peter Müller.

Foto: rup/ruppenthal,rolf

Annegret Kramp-Karrenbauer trifft die CDU ins Herz. Die 1000 Delegierten der Partei in der „Station“, einem Berliner Veranstaltungszentrum, feiern ihre Bewerbungsrede als Generalsekretärin – ihr wichtigster Parteikarriere-Schritt. Zu Beginn wirkt die 55-Jährige nervös: „Alles, was ich in meinem Leben politisch erreicht habe, habe ich dieser Partei zu verdanken“, sagt die Noch-Ministerpräsidentin des Saarlandes demütig. Diesen Posten wird sie für die Partei aufgeben. Ein Statement, das ankommt. 20 Minuten lang zeigt sie zudem Ecken und Kanten auf einem Gipfel der Harmonie. „Ich kann, ich will und ich werde“, ruft sie den Christdemokraten zu. „Wir müssen aber trotzdem noch wählen“, sagt der Tagungsleiter, Kiels Ministerpäsident Daniel Günther, zaghaft. „AKK“ kriegt 98,87 Prozent. Ein Traumergebnis. Ein Rekord.

Rückblende: Es ist 1984, das Wohnzimmer von Familie Strauß in Püttlingen, der Heimatstadt Kramp-Karrenbauers. Caecilia, die Tochter des Hauses,  redet mit ihren Freunden von der Jungen Union (JU) auf Vater Josef ein, den örtlichen CDU-Chef: „Wenn du Annegret nicht für den Stadtrat aufstellst, machen wir nichts mehr für die Union“, erinnert sich Blandine Strauß, Caecilias Mutter. Dabei musste sie ihren inzwischen verstorbenen Vater nicht von der damaligen Politik- und Jurastudentin überzeugen. „Josef war Annegrets politischer Ziehvater, er hat sie in die CDU gebracht.“ Drei Jahre zuvor, erzählt die 84-Jährige. „Er hat sie immer beraten. Ich finde, das hat er gut gemacht.“

Strauß ist traurig, dass heute Kramp-Karrenbauers Kapitel als Saar-Landesmutter enden wird. Ihr Amt überlässt die Politikerin dem 40-jährigen Tobias Hans. „Der kann das“, meint sie. Die Opposition und auch Teile der Basis des Koalitionspartners SPD kritisieren ihren Abgang. Der Wahlkampf im Vorjahr sei auf AKK zugeschnitten gewesen, geknüpft an ihr politisches Schicksal. „Ich stehe nur als Ministerpräsidentin weiter zur Verfügung.“

Im Saarland zweifelten wenige, dass sie diese Drohung ernst gemacht hätte. Sie gilt als „geradlinig“, „unkompliziert“, als jemand, der sich nicht „so wichtig“ nimmt. Attribute, wegen derer sie jetzt als mögliche Erbin von Kanzlerin Angela Merkel gehandelt wird. Also der Parteichefin, die sie in das Amt der Generalsekretärin gebracht hat. Ein Amt, das Merkel selbst von 1998 bis 2000 inne hatte. Bis sie Parteichefin wurde. Ein Weg, den heute viele Kramp-Karrenbauer vorzeichnen. „Mini-Merkel“, wird sie genannt. Mal liebevoll, mal abschätzig. Kramp-Karrenbauer mag diese Formulierung genauso wenig wie „Kronprinzessin“. Sie habe sich „nie für Prinzessinnenrollen geeignet“, sagt die Lehrerstochter.

Als Merkel 1998 schon mitten im Fokus der Bundespolitik stand, saß auch Kramp-Karrenbauer in den Reihen der Bundestagsfraktion. Nur eben weiter hinten. Sie rückte damals für Klaus Töpfer als saarländische CDU-Abgeordnete nach, galt jedoch als schüchterne Hinterbänklerin. Ein halbes Jahr später, mit dem Ende der Legislaturperiode, war sie ihr Mandat wieder los. Es sollte eine der wenigen Niederlagen bleiben.

Und das hat mit Peter Müller zu tun. Der Top-Jurist war damals ein aufgehender Stern am CDU-Himmel. Der Eppelborner hatte sich im Landtag zum Oppositionsführer hochgekämpft, „AKK“ machte er zu seiner Referentin. „Sie kannten sich gut aus JU-Zeiten. Und diese Leute hielten zusammen“, sagt Strauß.

Kramp-Karrenbauer zog nach einer üblichen „Ochsen-Tour“ durch die kleineren Stadt- und Kreisgremien  1999 erstmals als Abgeordnete in den Landtag ein, wo sie fast 19 Jahre lang bleiben sollte.

Nach einem Jahr machte Müller sie damals als erste Frau Deutschlands zur Innenministerin. Sie wird zur „politischen Allzweckwaffe“. 2007 beorderte Müller sie an die Spitze des Bildungsressorts, als Krisenmanagerin von G8. In der Jamaika-Koalition 2009 wird sie Superministerin für Arbeit, Familie, Prävention, Soziales und Sport.

Im Sommer 2011 folgte der bis dahin größte Karriereschritt: Ein halbes Jahr zuvor hatte der heutige Verfassungsrichter Müller seinen Rückzug aus der Politik verkündet und Kramp-Karrenbauer als seine Nachfolgerin auserkoren. Die Entscheidung war nicht unumstritten. „Kronprinzessin“ unkten auch damals einige. Bei ihrer Wahl zur Ministerpräsidentin verweigerten ihr deshalb zwei Abgeordnete zunächst die Gefolgschaft. Erst im zweiten Wahlgang reichte es. Ein Denkzettel.

Im Januar 2012 passierte Denkwürdiges: Kramp-Karrenbauer ließ gegen den Wunsch der Partei-Vorsitzenden Jamaika an der Saar platzen, am Tag des Dreikönigstreffens der Liberalen, dem damaligen Koalitionspartner der Merkel-CDU auf Bundesebene. Sie habe „einen eigen Kopf“, sagt Merkel heute anerkennend. Gut gepokert, könnte man auch sagen.

Denn Kramp-Karrenbauer setzte damals alles auf die Karte Groko, die SPD auf Neuwahlen. Am Ende überzeugte die CDU-Politikerin. „Meisterstück“ schrieben die Medien. Sie sollte es fünf Jahre später wiederholen. Gefühlt gegen zwei SPD-Gegner: Anke Rehlinger, die Saar-Spitzenkandidatin, und Martin Schulz, dem ehemals gefeierten Heilsbringer. Die Union landete 2017 mit deutlichem Abstand vor der SPD. „Ich bin platt“, sagte Kramp-Karrenbauer. Endgültig aufs bundespolitische Tableau gebracht haben sie dann die Koalitionsverhandlungen vor wenigen Wochen. Sie managte den Bereich Bildung – und überzeugte.

Dabei ist die dreifache Mutter und Ehefrau politisch nicht einfach in der Merkel-Union zu verorten. 2013 verstörte sie die Parteispitze damit, dass sie mit Blick auf die klammen Kassen des Saarlandes Helmut Kohls Spitzensteuersatz von 53 Prozent ins Spiel brachte. Ein No-Go. In der Flüchtlingsdebatte stand sie 2015 für Merkels liberalen Kurs, setzte jedoch deutlich schneller härtere Verfahren durch. In der Frauenpolitik ist Kramp-Karrenbauer, langjähriges Vorstandsmitglied der Frauen-Union, sogar manchmal auf SPD-Kurs. Im Bundesrat stimmte sie 2012 für die Einführung der Frauenquote. Gesellschaftspolitisch ist die Katholikin konservativ. Die Ehe für alle lehnte sie ab. Im SZ-Interview warnte sie 2015, dass so „andere Forderungen nicht auszuschließen“ seien, „etwa eine Heirat unter engen Verwandten oder von mehr als zwei Menschen“.

Politische Affären hatte sie in ihrer Amtszeit wenige zu rechtfertigen. Als Innenministerin verantwortete sie die Ansiedlung einer Fischzucht durch die Völklinger Stadtwerke mit, die in die Millionen-Pleite rutschte. Auch der Saarbrücker Museums-Bau war am Ende mehr als doppelt so teuer wie geplant. Die Opposition warf ihr vor, das Land getäuscht zu haben. Doch sie überstand auch das.

Als ihr politisches Erbe wird hingegen etwas anders nachwirken: Sie verordnete dem Land als Regierungschefin einer „Koalition der Fairness“ einen rigorosen Konsolidierungskurs und verhandelte parallel einen neuen Bund-Länder-Ausgleich heraus. Gut 200 Millionen Euro im Schnitt mehr, heißt es, wird das Saarland ab 2020 ausgeben können. 

Das erste Ausrufezeichen: Die Püttlingerin wird 2000 erste Innenministerin Deutschlands.

Das erste Ausrufezeichen: Die Püttlingerin wird 2000 erste Innenministerin Deutschlands.

Foto: BECKER&BREDEL/bub
Die Familie als Rückhalt – auch schon früher. Kramp-Karrenbauer mit Mann Helmut, Tochter Laurien (2.v.r) und den beiden Söhnen Tobias (r) und Julian.

Die Familie als Rückhalt – auch schon früher. Kramp-Karrenbauer mit Mann Helmut, Tochter Laurien (2.v.r) und den beiden Söhnen Tobias (r) und Julian.

Foto: rup/ruppenthal,rolf
Putzfrau Gretel räumt auf: Alljährlich steht Annegret Kramp-Karrenbauer bei Karnevalsveranstaltungen auch auf der Bühne.

Putzfrau Gretel räumt auf: Alljährlich steht Annegret Kramp-Karrenbauer bei Karnevalsveranstaltungen auch auf der Bühne.

Foto: dpa/Oliver Dietze

Und jetzt? Ihr Weggang eröffnet im Ringen ums Ministerpräsidentenamt ungeahnte Chancen – für Nachfolger Hans, aber auch für die Genossen. Aber es wird wohl viele im Saarland geben, die es wie Blandine Strauß sehen. „Ich freue mich für Annegret, aber ich werde sie hier vermissen.“

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