Kinderarmut geht zurück

Berlin. Die gute Nachricht: In Deutschland sind immer weniger Kinder auf Hartz IV angewiesen. Seit Ende 2005, dem Jahr der Einführung der Hartz-IV-Regelungen, ist die Zahl der unter 15-jährigen mit Anspruch auf die staatliche Grundsicherung um rund 183 000 auf 1,64 Millionen gesunken. Dennoch sehen Experten darin noch längst keinen Grund zur Entwarnung

Berlin. Die gute Nachricht: In Deutschland sind immer weniger Kinder auf Hartz IV angewiesen. Seit Ende 2005, dem Jahr der Einführung der Hartz-IV-Regelungen, ist die Zahl der unter 15-jährigen mit Anspruch auf die staatliche Grundsicherung um rund 183 000 auf 1,64 Millionen gesunken. Dennoch sehen Experten darin noch längst keinen Grund zur Entwarnung. Zum Teil habe sich die Armutsgefährdung nur in ein anderes Hilfesystem verlagert.Wie aus einer unserer Zeitung vorliegenden Datenübersicht der Bundesagentur für Arbeit weiter hervorgeht, war der Rückgang besonders in den letzten beiden Jahren gravierend. Von September 2009 bis September 2010 reduzierte sich die Zahl der unter 15-Jährigen mit Hartz-IV-Bezug um 83 000. Insgesamt ist in Deutschland damit etwa jedes siebte Kind auf Grundsicherung angewiesen. In den neuen Ländern ist es sogar jedes vierte. Am wenigsten von Hartz IV betroffen sind Familien mit einem Kind. Hier lag die Quote im August des Vorjahres bei 7,5 Prozent. Dagegen sind Alleinerziehende immer noch weit überproportional auf die staatliche Hilfe zum Lebensunterhalt angewiesen. Im Sommer des Vorjahres waren knapp 36 Prozent aller Alleinerziehenden mit einem Kind von Hartz IV abhängig. Bei entsprechenden Bedarfsgemeinschaften mit zwei Kindern lag die Quote gar bei 45 Prozent.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) vertrat gestern trotzdem die Auffassung, dass der Krippenausbau und eine verstärkte Jobvermittlung für Alleinerziehende entscheidend zum Rückgang der Kinderarmut beigetragen hätten. Seit dem vergangenen Jahr liege der Schwerpunkt in den Jobcentnern auf der Vermittlung von Frauen mit Kindern. Dort, wo dies besonders ernst genommen werde gehe die Arbeitslosigkeit unter Frauen stärker zurück als in anderen Regionen.

Dagegen warnte der Sozialexperte Christian Alt vom Deutschen Jugendinstitut in München vor Schönfärberei. "Dass sich die Hartz-IV-Situation verbessert hat, ist unbestritten. Schon allein deshalb, weil wir deutlich weniger Arbeitslose haben", so Alt gegenüber unserer Zeitung. Man muss aber genau hinschauen, wer aus dem Hartz-IV-System herauskomme. "An den Alleinerziehenden ist die Entwicklung offenbar vorbei gegangen". Auch sei es blauäugig zu glauben, dass jemand, der nur knapp über Hartz-IV-Niveau liege, schon jenseits der Armutsgefährdung sei.

Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linken, Sabine Zimmermann, verwies in diesem Zusammenhang auf einen deutlichen Anstieg der Haushalte, die den Kinderzuschlag beziehen. Er wird gezahlt, um zu verhindern, dass Familien wegen ihrer niedrigen Einkommen nur aufgrund der Kinder in Hartz IV rutschen. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit kam der parallel zur Grundsicherung eingeführte Kinderzuschlag Ende 2005 rund 41 000 Kindern zugute. Im September 2011 waren es bereits fast 220 000. "Eigentlich hätten diese Eltern Anspruch auf Hartz-IV-Leistungen", erläuterte Zimmermann gegenüber unserer Zeitung. "Somit hat sich ein Teil der Kinderarmut nur in ein anderes Hilfesystem verlagert und liegt insgesamt immer noch auf hohem Niveau". Sozialexperte Alt sieht es ähnlich: "Nur weil Kinder einen Kinderzuschlag erhalten, sind sie noch lange nicht von einer prekären Lebensweise befreit."

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