Kim Jong-Un zündelt wieder

Peking · Nordkorea feiert einen weitern erfolgreichen Atomwaffentest, der Rest der Welt reagiert empört. Internationale Experten bezweifeln allerdings stark, dass es sich bei der gestern getesteten Kernwaffe tatsächlich um eine Wasserstoffbombe handelte.

Die Stimme der Nachrichtensprecherin überschlägt sich fast vor Begeisterung, dann geht sie ins Pathos über: "Unser Land hat eine miniaturisierte Wasserstoffbombe getestet und damit seine atomare Macht auf eine neue Stufe gehoben!" Was Nordkorea mit so viel Stolz verkündet, versetzt seine Nachbarländer in Unruhe: Der junge Machthaber Kim Jong-un demonstriert, dass er die nukleare Aufrüstung fortsetzen will. Nordkorea ist gestern zum vierten Mal ein Atomtest gelungen. Erdbebenwarten weltweit haben Erschütterungen aufgefangen, die auf die Detonation einer Kernwaffe hinweisen.

Experten zweifeln aber daran, dass es sich um eine Wasserstoffbombe gehandelt hat. Das Erdbeben nach der unterirdischen Explosion war dafür nicht stark genug. Außerdem sind die technischen Fähigkeiten Nordkoreas dafür vermutlich noch nicht weit genug entwickelt.

Sämtliche Nachbarländer und die Weltgemeinschaft reagierten entsetzt über den neuen Atomtest. Südkoreas Präsidentin Park Geun-hye nannte das Verhalten des Nordens eine "Provokation und eine schwere Bedrohung für Frieden und Stabilität" in Asien. "Nordkorea wird einen Preis dafür zahlen müssen." Japans Regierungschef Shinzo Abe nannte den Test eine "schwere Bedrohung" für sein Land.

Viel schwerer wiegt jedoch die Kritik aus China, dem letzten verbliebenen Verbündeten Nordkoreas. Peking hatte zuletzt darauf gedrängt, die Abrüstungsverhandlungen zwischen Nordkorea sowie China, Russland, Südkorea, Japan und den USA wieder aufzunehmen. Die Chance für die Fortsetzung dieser Gespräche liegt nun bei Null. Pjöngjang hat Peking damit übel vor den Kopf gestoßen. "Die Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen beiden Ländern können ziemlich schlecht sein", sagt Zhang Liangui, Nordkorea-Experte an der Zentralen Parteischule in Peking . Chinas Staatsmedien spielten den Test gestern herunter, um Kim den Propagandaerfolg zu nehmen.

Machthaber Kim meint es derweil bitter ernst mit dem Aufbau eines nuklearen Arsenals. "Seinem Vater, Kim Jong-il, ging es mit seinen Atomtests noch in erster Linie darum, Verhandlungsmasse zu gewinnen", sagt Narushige Michishita, Nordkorea-Experte am National Graduate Institute for Policy Studies in Tokio. Der ältere Kim habe sich regelmäßig durch Wirtschaftshilfe dazu bringen lassen, das Nuklearprogramm wieder auf Eis zu legen. Der Sohn wolle das Programm jedoch konsequent durchziehen, um das Ausland wirksam bedrohen zu können. Nur darin sieht er eine Möglichkeit, seine Macht im In- und Ausland zu behaupten.

Der wichtigste Aspekt ist dabei laut Michishita die Verehrung, die das eigene Volk ihrem "respektierten Führer" Kim Jong-un entgegenbringt. Die Propaganda stellt den Machthaber als Garant für die Freiheit des Landes dar: Er schütze die Bürger mit Atomwaffen vor Eroberung, Demütigung und Sklaverei.

Trotz jahrzehntelanger Anstrengungen gelang Nordkorea erst 2006 der Test einer Atombombe. Ein entscheidendes Element fehlt Nordkorea jedoch zur echten Atommacht: Eine Trägerrakete, die die Massenvernichtungswaffen in weit entfernte Ziele tragen kann. Das Land verfügt zwar über Raketen, die den Weltraum erreichen können. Die nuklearen Sprengköpfe selbst sind jedoch noch zu groß und schwer um sie mit bisher entwickelten nordkoreanischen Trägerraketen zu befördern. Noch aufwendiger ist die Entwicklung einer Wasserstoffbombe. Während eine Atombombe auf dem Prinzip der Kernspaltung basiert, verschmelzen bei der Explosion einer Wasserstoffbombe die beteiligten Atomkerne. Dabei wird wesentlich mehr Energie frei als bei einer Atombombenexplosion. Die USA und die Sowjetunion forschten jahrelang mit gewaltigem Aufwand daran, solche Fusionsbomben zu bauen.

Chinesische Analysten zweifeln am plötzlichen Sprung auf die nächste Stufe der technischen Entwicklung. "Das Muster der seismischen Aktivität weist allerhöchstens auf einen simpleren Typ hin, eine durch Fusion lediglich verstärkte Atombombe", sagt Du Wenlong von Akademie für Militärwissenschaft der Volksbefreiungsarmee. Erdbebenwarten weltweit haben Erschütterungen mit einer Magnitude zwischen 4,9 und 5,1 gemessen. "Eine vollwertige Wasserstoffbombe würde dagegen ein um Größenordnungen stärkeres Beben auslösen", sagt Du Wenlong.Forscher entwickelten in den 1940er und 1950er Jahren Massenvernichtungswaffen mit bis dahin unbekannter Sprengkraft. Sie unterscheiden sich in Funktionsweise und Wirkung.

Atombombe: Als ihr wichtigster "Vater" gilt der Amerikaner Robert Oppenheimer. Die ersten Atombombenabwürfe am 6. und 9. August 1945 auf Hiroshima und Nagasaki beendeten den Zweiten Weltkrieg in Asien. Ihre Zerstörungskraft beziehen sie aus der Spaltung von Uran- oder Plutoniumkernen in einer Kettenreaktion. Diese setzt Energie als Hitze, Druck und Strahlung frei. In kurzer Zeit können Hunderttausende getötet und ganze Landstriche verwüstet werden. Die radioaktive Strahlung verursacht gesundheitliche Langzeitschäden.

Wasserstoffbombe: Die Wasserstoffbombe, auch H-Bombe genannt, wurde unter Leitung von Edward Teller in den USA entwickelt und erstmals 1952 auf einem Atoll im Pazifik gezündet. Die Sprengkraft ist um ein Vielfaches größer als bei einer Atombombe. Sie setzt Energie aus einer Kernverschmelzung frei, wie sie auch auf der Sonne stattfindet. Bei dieser Fusion werden die Wasserstoff-Isotope Deuterium und Tritium so verdichtet, dass sie zu Helium verschmelzen. Zur Zündung des Gemischs sind mehr als 100 Millionen Grad erforderlich. Deshalb enthält eine H-Bombe als Zünder eine Atombombe.

Neutronenbombe: Neutronenwaffen vernichten Lebewesen bei geringen Materialschäden. Beruht die Wirkung herkömmlicher Atomwaffen vor allem auf der Druck- und Hitzewelle, geben Neutronenwaffen die meiste Energie in Form schädlicher Neutronenstrahlung ab. Sie führt je nach Intensität innerhalb von Minuten oder Wochen zum Tod. Gebäude und Infrastruktur werden dagegen weniger beschädigt.

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