Spitzenkandidatur Barley führt die SPD in die EU-Wahl

Berlin · Die (Nicht-)Bekanntgabe der Spitzenkandidatur verlief gestern allerdings holprig.

 Katarina Barley ist derzeit noch Bundesjustiz­ministerin.

Katarina Barley ist derzeit noch Bundesjustiz­ministerin.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Die Verkündung von Spitzenkandidaturen gerät der SPD regelmäßig zum Fiasko. Peer Steinbrück erfuhr es 2012 mehr oder weniger aus dem Radio, Martin Schulz las es Anfang 2017 in einem „Stern“-Interview von Sigmar Gabriel. Der Urheber der Indiskretion, dass Katarina Barley im nächsten Jahr ganz oben auf der SPD-Liste für das Europaparlament antreten soll, ist unbekannt, der Effekt der gleiche: Ein verunglückter Start.

Erst „in Kürze“ werde sie ihren Vorschlag für die Spitzenkandidatur mitteilen, sagte Parteichefin Andrea Nahles gestern am Rande der SPD-Fraktionssitzung. Derweil andere die Personalie unter der Hand oder sogar öffentlich schon bestätigten. Barley, amtierende Justizministerin, mied jeden Pressekontakt und drückte sich im Saal an der Wand herum. Der Reihe nach kamen Abgeordnete mit strahlenden Gesichtern auf sie zu, doch die 49-Jährige zeigte sich abweisend. Selbst bei Olaf Scholz blickte sie weg. „Lieber nicht“, sagte sie sogar zu Martin Schulz, ging dann aber doch mit ihm zum Händeschütteln in die Ecke.

Warum das Offensichtliche noch verborgen werden sollte, blieb unklar. Vielleicht musste noch mit Udo Bullmann geredet werden, der als Chef der sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament auch ein Anwärter gewesen wäre. Aber es sollte eine Frau sein, unverbraucht und jung. Vielleicht stimmt auch, dass durch die Veröffentlichung „Zeitpläne“ durcheinander geraten waren, wie einer aus der Parteiführung sagte. Gemeint ist möglicherweise die Regelung von Barleys Nachfolge im Justizministerium. Die heißeste Anwärterin, SPD-Fraktionsvize Eva Högl aus Berlin, ging ebenfalls auffällig schnell an den Journalisten vorbei.

Derweil lobten einige Abgeordnete die Kandidatin schon öffentlich. Axel Schäfer, Europa-Experte und SPD-Fraktionsvize, jubelte: „Ich bin so was von happy.“ Barley sei „europäisch durch und durch“. Schäfer spekulierte schon, dass sie eventuell Justizkommissarin werden könne. Der Rheinland-Pfälzer Gustav Herzog frohlockte, dass sein Landesverband nach der Partei- und Fraktionsvorsitzenden nun auch die EU-Spitzenkandidatin stelle. Er flachste: „Die Briten gehen raus, wir schicken eine Deutsch-Britin.“

Das ist Barley wegen ihres Vaters. Und sie lebt in einer ausgesprochenen Europaregion, nämlich Trier. Außerdem wohnt ihr Freund, ein holländischer Basketballtrainer, in Amsterdam. Alles gute Gründe, die Berufung sofort anzunehmen, und dennoch hat sich Barley dem Vernehmen nach lange geziert. Sie habe ihr jetziges Amt als Justizministerin nicht aufgeben wollen. Und: Ein Spaziergang wird die Europawahl für die SPD nicht gerade.

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