Ältere Genossen toben Juso-Kampagne massiv in der Kritik

Berlin · Parteivize Dreyer kritisiert den SPD-Nachwuchs für dessen Mitglieder-Werbung. Ein „Stichtag“ soll die Abstimmung über den Groko-Eintritt fairer machen.

 Juso-Chef Kevin Kühnert mobilisierte beim SPD-Parteitag in Bonn die Gegner der Groko.

Juso-Chef Kevin Kühnert mobilisierte beim SPD-Parteitag in Bonn die Gegner der Groko.

Foto: dpa/Oliver Berg

Können die Jusos die große Koalition mit ihrer Neumitglieder-Kampagne kippen? Die Chancen dafür sinken, denn die SPD-Führung plant, per Stichtag festzulegen, bis wann man eingetreten sein muss, um über einen möglichen Koalitionsvertrag abstimmen zu dürfen – und ab wann nicht mehr. Dem Vernehmen nach sind der 29. Januar oder aber eine Woche später im Gespräch. Allerdings wird im Willy-Brandt-Haus darauf verwiesen, dass ein Stichtag notwendig und nichts Neues sei.

Wegen der Juso-Aktion rumort es an der Basis. Wenn man derzeit mit Genossen in Berlin spricht, dann berichten sie nichts Gutes aus ihren Wahlkreisen. Der Ärger über den Parteinachwuchs sei besonders bei älteren Mitgliedern groß, erzählt ein Abgeordneter. Der Tenor sei: „Sozialdemokrat ist man aus Überzeugung, nicht für zehn Euro und nicht für zwei Monate.“ Mit diesem Angebot, zwei Mindestmonatsbeiträge, hatten die Jusos speziell aus Nordrhein-Westfalen Neumitglieder geködert, damit sie dann gegen einen Koalitionsvertrag mit der Union stimmen. Man könne dann ja wieder austreten. Die Kampagne, berichtet ein anderer SPD-Mann, sei vor Ort „verheerend“ angekommen. Mit der Folge, dass nun das Lager der Groko-Befürworter mobilisiert sei. Ein Eigentor des Nachwuchses?

Hinzu kommt etwas anderes: Jeder Ortsvereinsvorstand hat über einen Antrag zu entscheiden. „Da wird jetzt genau hingeschaut.“ In der Parteisatzung heißt es dazu, der Vorstand muss über den Aufnahmeantrag innerhalb eines Monats befinden. Bei Ablehnung kann ein Bewerber dann binnen eines Monats beim Kreisvorstand Einspruch erheben, der wiederum endgültig bewertet. Und Mitglied ist man auch erst dann, wenn danach die Entscheidung förmlich im Zentralcomputer registriert worden ist. Am Ende des Verfahrens dürfte die Mitgliederbefragung längst Geschichte sein.

Seit dem Bonner Sonderparteitag der SPD und dem Beginn der Neumitgliederkampagne der Jusos soll es bereits über 1600 Eintritte gegeben haben. In Berlin wird zwar darauf verwiesen, dass das bei einer Mitgliederstärke von rund 443 000 kaum ins Gewicht falle. Dennoch spart man in der SPD-Führung nicht mit Kritik an der Aktion des Parteinachwuchses.

Die Vize-Vorsitzende Malu Dreyer sagte unserer Redaktion: „Kurzzeitige Mitgliedschaften, die dazu dienen, eine parteiinterne Abstimmung zu beeinflussen, entsprechen nicht unserem Verständnis von innerparteilicher Demokratie.“ Die SPD habe Werte, „für die wir uns langfristig und nachhaltig einsetzen“, so die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin. Deshalb lehne man die Aktion ab. Vorstandsmitglied Oliver Kaczmarek betonte, die Kampagne sei „zu verkürzt und reduziert den Wert einer Partei“.

Gleichzeitig heißt es in der SPD, um die Parteigänger rechtzeitig anzuschreiben und sie zum Entscheid einzuladen, müsse ein Stichtag ohnehin festgelegt werden. „Wie genau diese Regelung ausgestaltet werden soll, wird am Montag im Parteivorstand beraten werden“, so Dreyer. Dann sollen auch die Richtlinien für den Mitgliederentscheid festgelegt werden, darunter ein Quorum von 20 Prozent, also die Höhe der Mindestbeteiligung. Ähnlich war das Verfahren bei der Befragung 2013 über den Vertrag der damals ausgehandelten großen Koalition. Seinerzeit durften alle SPDler votieren, die bis zum 13. November des Jahres gemeldet waren, die Abstimmung begann dann am 6. Dezember und dauerte bis zum 12. Dezember. Rund 78 Prozent der SPD-Mitglieder beteiligten sich. Davon stimmten rund 76 Prozent für ein Bündnis mit der Union.

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