Jung, engagiert, optimistisch

Berlin · Junge Leute in Deutschland wünschen sich zwar einen sicheren Job. Karriere ist für sie aber zweitrangig. Vor allem Zeit für die Familie ist ihnen besonders wichtig – eigene Kinder wollen aber immer weniger.

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Null-Bock? Angst vor der Zukunft, Angst vor Zuwanderern? Die Lieblingshobbys sind Koma-Saufen und im Internet daddeln? Von wegen. Deutschlands Jugend ist in weiten Teilen besser als ihr Ruf. Familie ist ohnehin wichtig, das Interesse an Politik steigt, und immer mehr junge Menschen gehen optimistisch durchs Leben und sind "hochgradig tolerant". Das sind nur einige Ergebnisse der 17. Shell-Studie, die gestern in Berlin präsentiert wurde. Sie räumt kräftig auf mit Vorurteilen über die Zwölf- bis 25-Jährigen. Bei der Jugend von heute handele es sich um eine pragmatische Generation im Aufbruch, so das Fazit von Mathias Albert, Leiter der Wissenschaftlergruppe, die die Studie erarbeitet hat. "Sie ist anspruchsvoll, will mitgestalten und neue Horizonte erschließen." Gefragt wurden erstmals 2558 repräsentativ ausgewählte Jugendliche, die komplett nach der Wiedervereinigung aufgewachsen sind - und das auch noch mit sozialen Netzwerken.

Terror, Eurokrise, Ukraine-Konflikt, Flüchtlingsansturm, die weltweiten Probleme lassen die Jugendlichen nicht verzagen. Auch wenn die Sorge vor einem Krieg in Europa (62 Prozent) gestiegen ist und 73 Prozent Angst vor einem Terroranschlag haben, so blicken doch insgesamt 61 Prozent optimistisch in die persönliche Zukunft. Erstmals seit den 1990er Jahren beurteilt auch eine Mehrheit (52 Prozent) die gesellschaftlichen Aussichten positiv. Hintergrund ist, dass in den letzten Jahren offenbar das Gefühl gewachsen ist, in der Welt auch etwas bewegen zu können. "Sie schätzen ihre Gestaltungsmöglichkeiten", so Albert. Der Wermutstropfen: Die Zuversicht der Jugendlichen aus sozial schwachen Schichten stagniert. Zehn bis 15 Prozent des Nachwuchses seien mit schlechten Chancen ausgestattet, so Albert. "Eine Kluft, die nicht zunimmt. Sie nimmt aber auch nicht ab."

Der großen Mehrheit der Jugendlichen (82 Prozent) ist es wichtig, "die Vielfalt der Menschen anzuerkennen und zu respektieren". Deshalb gibt es mehr Angst vor Fremdenfeindlichkeit (48 Prozent) als vor Zuwanderung - nur 37 Prozent sprechen sich dafür aus, die Zuwanderung zu verringern, 2006 waren dies noch 58 Prozent. Die positive Einstellung zeigt sich auch bei Flüchtlingen: Für eine gleiche Aufnahme wie bisher sind 36 Prozent - fast jeder Vierte plädierte sogar für eine Ausweitung. Etwa jeder Dritte wünschte sich indes weniger Flüchtlinge. Hinweisen muss man darauf, dass die Erhebung von Anfang Januar bis März stattfand, als die Flüchtlingsproblematik noch nicht so groß war. Die Wissenschaftler betonten aber, dass die Studie langfristige Einstellungen abbilde. Auf die Frage, ob Zwölfjährige schon zu so komplexen Themen wie Zuwanderung befragt werden könnten, antworteten die Experten, dass die Jugendphase heute viel früher beginne. Zwölfjährigen könne man überlegte Antworten zutrauen.

Die Jugendlichen sind zugleich auch politischer geworden. 41 Prozent bezeichnen sich als interessiert (2002: 30 Prozent). Damit einher geht die Bereitschaft, sich zu engagieren. Häufige Aktivitäten sind Boykott von Waren, jeder Vierte war schon auf einer Demo, jeder Zehnte ist Mitglied einer Bürgerinitiative. Von dem Politikinteresse können die etablierten Parteien aber nicht profitieren. Sie genießen nur wenig Vertrauen. "Das politische Interesse steigt, die Politikverdrossenheit nimmt aber nicht ab", so Albert.

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