IS zerstört einzigartiges Kulturerbe

Bagdad · Der heutige Irak war einst Heimat früher Hochkulturen. Viele Stätten von damals haben überlebt – bis die IS-Terrormiliz kam. Experten sind höchst alarmiert. Doch die Regierung in Bagdad ist hilflos.

Die assyrische Stadt Nimrud hat über die Jahrtausende viele stürmische Zeiten erlebt. Einst war die altorientalische Metropole im Norden des heutigen Iraks Zentrum eines Reiches, dessen Macht bis ans Mittelmeer reichte. Prächtige Paläste standen hier, bewacht von Torhüterfiguren aus Stein, Stiere mit Flügeln und Köpfen von Menschen. Fast 3000 Jahre ist das her. Vieles davon hat bis heute überlebt - trotz unzähliger Kriege und Katastrophen. Nun aber könnte dieses einmalige Kulturerbe verschwinden. Und zwar für immer. Erneut haben Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ihrer Zerstörungswut freien Lauf gelassen. Mit schwerem Gerät, so Iraks Altertumsministerium, hätten sie begonnen, die Ausgrabungsstätte Nimrud zu zerstören. Bilder sind diesmal zwar zunächst nicht aufgetaucht. Aber es gibt nur wenig Zweifel daran, dass diese Nachricht stimmt.

Der Vernichtungswille des IS schreckt weder vor Menschen noch vor Kulturgütern zurück. Die sunnitischen Extremisten zerstören alles, was ihrer Ideologie widerspricht: schiitische Moscheen genauso wie christliche Kirchen und altorientalische Stätten. Und sie sorgen mit Internetvideos dafür, dass die Welt von ihren Gräueltaten erfährt. Vor rund einer Woche war etwa ein Film im Netz aufgetaucht: Mit schweren Hämmern zertrümmern die Dschihadisten im Museum von Mossul assyrische Statuen - viele von ihnen waren laut Experten echt. Die Statuen hätten der Vielgötterei gedient, doziert ein IS-Anhänger in dem Video. Auch der Prophet Mohammed habe Götzenbilder zerstört.

Der Schock über die Tat ist groß. "Sie begehen einen kulturellen Genozid", zitierte eine Bagdader Zeitung den irakischen Autor Riad Abdul Karim. "Zuerst haben sie Menschen zerstört und jetzt zerstören sie das menschliche Erbe." Und Markus Hilgert, Direktor des Vorderasiatischen Museum in Berlin, klagt: "Die Zerstörung von Nimrud ist eine Katastrophe für das Kulturerbe der Menschheit." Zehntausende archäologische Stätten gibt es noch immer im Irak . Sie mussten ohnehin viel mitmachen im Lauf der Zeit. Seit dem Ausbruch des blutigen Konflikts mit dem Iran 1980 hat der Irak fast nichts anderes erlebt als Kriege, Krisen und Sanktionen. Die historischen Stätten sind diesem Unheil schutzlos ausgeliefert.

Doch was tun? Die Regierung in Bagdad ist hilflos. Große Gebiete im Norden und Westen des Landes stehen unter Kontrolle des IS, darunter Stätten wie die Wüstenstadt Hatra, die zum Weltkulturerbe der Unesco zählt. Ministerpräsident Haidar al-Abadi schwor, die Verantwortlichen würden bestraft - laute Worte, denen er kaum Taten folgen lassen kann. Und selbst wenn die Täter eines Tages geschnappt werden sollten, könnte es für viele Kulturgüter zu spät sein.

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