Weltfrauentag „Frauen müssen auch mal zurückschlagen“

Zum heutigen Weltfrauentag haben vier Männer aus dem Saarland auf vier Fragen zum Thema Gleichberechtigung geantwortet.

 Das Kalenderblatt vom 8. März, dem Internationalen Frauentag.

Das Kalenderblatt vom 8. März, dem Internationalen Frauentag.

Foto: dpa/Jens Wolf

Verstehen Sie, dass sich Frauen im Deutschland des 21. Jahrhunderts immer noch benachteiligt fühlen?

RASHAD ODAHBASHI Nein, ich verstehe das nicht. Es hängt aber von den Erfahrungen ab. Wenn du die Situation deutscher Frauen mit der von Frauen in Saudi-Arabien oder Syrien vergleichst, dann ist das hier der pure Luxus. Das hat nicht nur mit dem Kopftuch zu tun. Ich würde übrigens nie eine Frau mit Kopftuch haben wollen. Hier können Frauen Chefs sein, durch Leistung aufsteigen. Frauen in arabischen Ländern können zwar auch arbeiten, aber sich den Beruf nicht frei aussuchen. In Syrien kann eine Frau beispielsweise kein Taxi fahren. Man würde sie als „Hure“ beschimpfen oder fragen, ob sie „Eier in der Hose“ hat. Hier in Deutschland haben Männer und Frauen auch gleichermaßen das Recht, Sex zu haben. Das ist in unseren Ländern anders.

PATRICK RIES Ein klares Jein. Ich kann verstehen, dass sich Frauen in bestimmten Jobs benachteiligt fühlen. Das hängt aber auch damit zusammen, dass Frauen das Geschlecht sind, das Kinder bekommt. Es sind immer noch die meisten Männer in Führungspositionen. An den Fähigkeiten liegt das nicht. Wir haben eine Bundeskanzlerin und Konzernchefinnen. Es gibt aber immer noch Chefs, die lieber mit Männern zusammenarbeiten. Doch auch diese Generation wird älter. Deswegen Jein. Immer mehr Männer wollen auch Vaterschaftsurlaub machen. Ich berate Männer und Frauen zum Thema Existenzgründung und habe das Gefühl, dass es auch da ziemlich ausgeglichen ist. Es gibt alleinerziehende Frauen, die mittelgroße Unternehmen übernehmen. Und ja, Alleinerziehende sind schlechter gestellt. Und Frauen sind in der Tat häufiger betroffen.

 Rashad Odahbashi aus Syrien, 22, seit vier Jahren in Saarbrücken. Lernt Deutsch, möchte Bürokaufmann werden.

Rashad Odahbashi aus Syrien, 22, seit vier Jahren in Saarbrücken. Lernt Deutsch, möchte Bürokaufmann werden.

Foto: Privat

HARMUT JOSWIG Ja, klar. Die Frauendebatte dreht sich viel zu sehr um Gleichstellung im Sinne von Gleichgeschlechtlichkeit. Man hat Männer und Frauen zu Opponenten gemacht, statt etwas am archaischen Verhalten zu ändern. Wenn man auf die Männer nicht konfrontativ zugegangen wäre, hätte man viel mehr erreicht. Immer noch gibt es Lohnunterschiede für die gleiche Tätigkeit. Irgendetwas ist falsch gelaufen. Einige sagen: Hauptsache, wir haben eine Frau als Bundeskanzlerin. Aber es wäre doch gut, wenn wir endlich eine Frau als Kanzlerin hätten, die auch für Frauenrechte eintritt. Als es um die Quote bei Dax-Unternehmen ging, hat Merkel gebremst. Auch in anderen Bereichen: Was hat Abtreibung im Strafgesetzbuch zu suchen? Frauen, die abtreiben, stehen da zwischen Mördern, Betrügern und Terroristen. Frankreich hat eine sehr viel modernere Politik, die Frauen hilft, sich selbstständiger zu entwickeln. Und die Französinnen haben deshalb nichts von ihrer Weiblichkeit eingebüßt.

JÜRGEN HINZ Ich verstehe das schon. Aber es gab auch enorme Fortschritte, von der Zeit der Suffragetten bis heute. In einigen Bereichen ist es nach wie vor unausgeglichen, beispielsweise bei der beruflichen Postenverteilung.

Zeit Online hat kürzlich Frauen gebeten, der Redaktion sexistische Sprüche aus dem Berufsalltag zu senden. Ich lese Ihnen mal drei vor: „Trag doch mal häufiger Röcke oder Kleider, das sieht hübscher aus und freut die Kunden.“ (Projektleiter zu einer Unternehmensberaterin) „Hätte ich gewusst, dass du dich ausziehst, wenn es warm wird, hätte ich die Heizung längst aufgedreht.“ (Kollege zu Kollegin) „Sag mal, stören dich die Brüste gar nicht beim Operieren?“ (Oberarzt zu Ärztin) Was sagen Sie dazu?

 Patrick Ries, 40 Jahre alt, Unternehmensberater aus Völklingen.

Patrick Ries, 40 Jahre alt, Unternehmensberater aus Völklingen.

Foto: Costra/Dirk Petry

ODAHBASHI (lacht erst einmal laut) So was sage ich auch manchmal…Hört sich lustig an, aber ich kann mir vorstellen, dass Frauen das nicht lustig finden. Männer haben nicht das Recht, so etwas zu sagen. Auch wenn die Brüste wirklich schön sind. Frauen werden nicht so respektiert wie Männer. Nur weil sie Frauen sind. Die ganze Welt geht so mit Frauen um. Die Botschaft: Du bist eine Frau, du bist eine Sexmaschine. Frauen sind keine Tiere und auch keine Sextoys. Ich habe selbst mal so etwas wie in Satz zwei gesagt, aber sofort klargestellt, dass das ein Scherz sein sollte. Aber man muss auch sagen, dass einige Frauen es mögen, wenn der Mann dominant ist.

RIES Es kommt auf den Kontext an. Ich habe selbst eine Bekannte, die Sprüche reißt, da würde mancher Mann an die Decke gehen. Derbe Sprüche scheinen in bestimmten Metiers, vor allem unter Medizinern, üblich zu sein. Aber es kommt, wie gesagt, immer darauf an, in welchem Verhältnis die Personen zueinander stehen, auf das Machtverhältnis, auf die persönliche Beziehung. Darauf, ob sie auch lockere Gespräche führen, sich duzen…Man kann auch vorher fragen, ob man sich zur Kleidung äußern darf. Männliche Führungskräfte vom alten Schlag werden von Frauen häufiger als übergriffig wahrgenommen. Das ist umgekehrt, also wenn Frauen Männer führen, nicht so. Das hat aber auch etwas zu tun mit der Fähigkeit, Grenzen zu setzen. Gerade Frauen im mittleren und hohen Alter sind noch Teil einer Generation, in der es die Frauen weniger gelernt haben, auch mal verbal zurückzuschlagen. Jüngere Frauen können das besser.

 Harmut Joswig, 54 Jahre alt, Facharzt für Notfallmedizin, lebt in Frankreich, Zweitwohnsitz in Saarbrücken.

Harmut Joswig, 54 Jahre alt, Facharzt für Notfallmedizin, lebt in Frankreich, Zweitwohnsitz in Saarbrücken.

Foto: Joswig

JOSWIG Der dritte Satz ist unter aller Würde. Gerade die Chirurgie ist ein machodominanter Beruf. Ich kann mir vorstellen, dass sich Ärztinnen in OP-Sälen noch viel dickere Zoten anhören müssen. Das ist ganz klar unter der Gürtellinie! Bei den beiden anderen Sätzen kommt es aufs Klima an. Unter Kollegen kann so etwas auch mal ein Scherz sein. Und zum ersten Satz: Das Schlimme ist, dass es wahr ist. Dass ein bestimmter Kleidungsstil vielleicht tatsächlich den Umsatz steigern würde…(denkt kurz nach) Aber eigentlich ist das zu flach. Ein schlechter Umsatz wird ja nicht an einer Hose liegen. Doch wie reagiert man als Frau darauf? Männer wie Frauen lassen eine Menge über sich ergehen...

HINZ (schmunzelt) Ein Arzt sollte sich auf die OP konzentrieren…Ob Bier- oder Polterabende: Da kommen schon mal deftige Sachen vor. Ich selbst habe noch nie eine solche Bemerkung gemacht. Und ich verstehe, wenn sich Frauen angegriffen fühlen, aber die Frage ist: Wie reagiert man darauf? Frauen müssen sich klar äußern, müssen klar Grenzen setzen. 

 Jürgen Hinz, 70, ehemaliger geschäftsführender Gesellschafter einer Im- und Exportfirma, wohnt in Sitterswald.

Jürgen Hinz, 70, ehemaliger geschäftsführender Gesellschafter einer Im- und Exportfirma, wohnt in Sitterswald.

Foto: Fatima Abbas

Was halten Sie von der Kampagne #MeToo?

ODAHBASHI Männer sollten ein Gespür dafür haben, ob es eine Frau nervt, wenn sie sie ansprechen oder nicht. Wir sind Menschen, keine Tiere. Ich verstehe es auch, wenn Frauen lange über Missbrauch und sexuelle Belästigung schweigen. Es gibt Frauen, die nehmen diese Erfahrungen sogar mit ins Grab. Das liegt auch daran, dass manche ihnen das Gefühl geben, sie seien selber daran schuld, wenn ihnen so etwas passiert.

RIES Sexuelle Übergriffe sind, Gott sei Dank, strafbar. Es gibt sie auch Männern gegenüber, aber häufiger ist es umgekehrt. Bis zur Vergewaltigung gibt es viele Abstufungen. Aber diese Vergehen gelten immer noch als Tabu. Sich zu bekennen und sogar juristische Schritte zu erwägen, hat viel zu tun mit der Überwindung von Scham, mit der Angst, alles noch einmal zu durchleben und auch öffentlich denunziert zu werden. In der Öffentlichkeit werden leider häufig beide Seiten laut: die unterstützende, aber auch die andere. #MeToo trägt dazu bei, Frauen Mut zu geben. Die Kampagne ist ein Selbstläufer geworden und hat die Thematik aus der Ecke der Angst, Scham und des Stillschweigens genommen.

JOSWIG Ich bin immer wieder überrascht, was im Umgang mit Abhängigkeit alles möglich ist. Männer wie Harvey Weinstein oder Dominique Strauss-Kahn sind Erotomanen, die nicht wissen, was sie dürfen und was nicht. Ich bin froh, dass Politiker wie Emmanuel Macron angemessen darauf reagiert haben. Missbrauch ist die Perversion eines positiven Erlebnisses. Viele Opfer wissen meistens selber nicht genau, ob sie angemessen reagieren, wenn sie es anzeigen. Die Frage ist: Wie nachhaltig sind Kampagnen wie #MeToo? Wenn das eine Zeitlang hält und das Verhalten beeinflusst, dann bringt es auch was. Man sollte es jedenfalls unterstützen. Auch wenn man aufpassen muss, dass die Enthüllungsdebatte nicht für persönliche Abrechnungen missbraucht wird.

HINZ Es ist viel zu spät. Es hätte was gebracht, wenn man zum Zeitpunkt des Aufkommens intensiv dagegen angegangen wäre. Aber ja, die Debatte könnte Mut machen. Es haben ja schon noch einige Leute Dreck am Stecken. Halbherzige Entschuldigungen bringen jedenfalls nichts. Ich kann auch nicht verstehen, wenn Frauen so lange schweigen. Mehr Courage wäre nötig. Es sind ja die Frauen, die betroffen sind.

Brauchen wir für die Chefetagen eine Frauenquote?

ODAHBASHI Ja. Die Frauenquote ist gut und richtig. Nur so zeigt sich, ob Frauen in höheren Positionen arbeiten wollen oder nicht. Sonst bekommen sie doch gar nicht die Chance. Männer steigen auf, während Frauen gebremst werden.

RIES Ich bin ein Freund der Markt-und Volkswirtschaft. Wir haben auch ohne Quote eine Bundeskanzlerin bekommen. In manchen Einrichtungen brauchen wir ja schon Männerbeauftragte… Ich bin kein Freund von Quoten, weil so Menschen in Positionen kommen, für die andere besser geeignet wären. Wenn Frauen noch in bestimmten Feldern ausgeschlossen werden, kann man im Einzelfall überlegen, eine Quote einzuführen. Außerdem halten viele Frauen Führungspositionen gar nicht für erstrebenswert. Die klassische Rollenverteilung, Frauen zu Hause, Männer in hohen Ämtern, ist oft noch Realität. Ich vermute, dass Männer ganz oben immer noch unter sich sein wollen, weil es Gepflogenheiten gibt, die nur so ausgelebt werden können. Wenn es um Bordellbesuche geht, würde eine einzige Frau schon stören. Aber in der Politik sieht man, dass es sinnvoll ist, wenn beide Geschlechter sich einbringen. Da tut sich viel. Auch ohne Quote.

JOSWIG Das wird sich in den nächsten Jahren nicht von selbst regeln. Es wird sich nur langsam etwas verändern. Die Quote ist im Grunde eine Bankrotterklärung. Dass das überhaupt sein muss… Es hat seine Gründe, warum in den Aufsichtsräten mehr Männer sitzen. Da wo aggressives Verhalten mit Erfolg belohnt wird, hat sich eine Männerkaste herausgebildet, die sich in Chefetagen abwechselt. Ein ausgeglichener Geschlechteranteil in Aufsichtsräten würde humanisiertere Unternehmen voraussetzen. Das ist in den nächsten 50 Jahren nicht realistisch. Man muss die Quote aber ausprobieren. Das Streben nach ihr hat sich ja nicht aus dem Nichts entwickelt. Mit irgendwas muss man anfangen. Nur so kann man Strukturen aufbrechen.

HINZ Immer dann, wenn es um eine vernünftige Auslese geht, sollte man über eine Quote nachdenken. Wenn keine Quote kommt, bleiben die Männer auf ihren Posten sitzen. Frauen werden abgebügelt. Das Grundkriterium sollte immer die Qualifikation sein. Wenn eine Frau diese erfüllt, dann muss sie auch gleichberechtigt eine hohe Position anstreben können. Sonst kommen Frauen nicht voran.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort