Interview Mascha Nunold „Häusliche Gewalt bewältigt man nicht von heute auf morgen“

Mascha Nunold koordiniert die Arbeit der Frauenhäuser der Arbeiterwohlfahrt im Saarland. Sie sagt: Betroffene brauchen einen Rechtsanspruch auf Hilfe.

 Die Sozialpäda­gogin Mascha Nunold, Bereichsleiterin der Frauenhäuser im Saarland.

Die Sozialpäda­gogin Mascha Nunold, Bereichsleiterin der Frauenhäuser im Saarland.

Foto: Privat

Frau Nunold, wie geht es den Frauenhäusern im Saarland?

NUNOLD Im Vergleich zu anderen Bundesländern sind wir personell und platztechnisch gut aufgestellt. Aber wir sind konstant gut belegt und kommen in Zeiten starker Auslastung an unsere Grenzen der Aufnahme. Kurzfristig wurde deshalb Anfang des Jahres ein Notaufnahmezimmer eingerichtet. Derzeit haben wir 25 von 31 Zimmern belegt – und damit ein wenig Luft. Als Kriseneinrichtung müssen wir diese auch haben.

Welche Frauen kommen zu Ihnen?

NUNOLD Gewalt zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten und Nationalitäten. Den Schutz eines Frauenhauses suchen aber überwiegend Frauen ohne Schulabschluss oder geringer Schulausbildung und/oder ohne Ausbildung und Beruf. Frauen, die diese Ausgangsbedingungen haben und sich länger in Beziehungsgewalt befinden, werden in ihrer ökonomischen Selbständigkeit klein gehalten. Sie kommen zu uns, weil sie keine andere Möglichkeit sehen und sozial isoliert sind. Ihnen fehlen z.B. Hintergrundinfos zum Gewaltschutzgesetz, einige sprechen auch kein Deutsch.

Die Frauen sind im Schnitt bis zu einem halben Jahr bei Ihnen, was geschieht danach?

NUNOLD Wir unterstützen die Frauen auf ihrem Weg in ihr selbständiges Leben, helfen bei Kontoeröffnung oder Wohnungssuche. Der Weg aus häuslicher Gewalt braucht jedoch Zeit und ist nicht von heute auf morgen bewältigt. Viele kleine Schritte müssen auch nach dem Frauenhausaufenthalt gegangen und Hürden überwunden werden. Einige Frauen gehen auch noch mal zurück zum Partner, wissen aber dann, wie sie sich im Notfall Hilfe holen können und dass sie bei uns auch wiederholt Zuflucht finden, ohne sich dafür schämen zu müssen.

Kann jede Frau zu Ihnen kommen?

NUNOLD Grundsätzlich ja. Wir haben aber Probleme der Kostenübernahme bei bestimmten Zielgruppen, die keinen Leistungsanspruch nach SGB II oder Asylbewerberleistungsgesetz haben, bzw. keine Sozialhilfe bekommen. Die Kosten der Unterkunft im Frauenhaus werden dann nicht von den Behörden übernommen. Die Frauen müssten die Kosten des Aufenthalts, insofern dies Ihnen möglich ist, also selber tragen. Dazu fehlen ihnen die Mittel, um sich und ihre Kinder selbst zu versorgen. Das sind zum Beispiel EU-Bürgerinnen, die keine Unterstützung vom Jobcenter oder Sozialamt erhalten. Hier hilft uns zum Glück die AWO-Stiftung über Einzelfallhilfen, um zumindest kurzzeitige Hilfe bieten zu können.

Und wie viel müssen diese Frauen selbst aufbringen?

NUNOLD Aktuell täglich 15,38 Euro für die Kosten der Unterkunft je Bett plus Kosten für die eigene Verpflegung. Deshalb stehen wir hinter der Forderung von Frau Giffey, den Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe bei Häuslicher Gewalt voran zu treiben. Hilfe bei Häuslicher Gewalt muss unabhängig vom Einkommen oder der Herkunft sein. Barrieren der Aufnahme betroffener Frauen mit ihren Kindern müssen dringlich abgebaut werden.

Wenden sich auch mal Männer an Sie?

NUNOLD Ja, das kommt vor. Wir können aber höchstens telefonisch beraten und an allgemeine Beratungsstellen oder an die Interventionsstelle weiterverweisen. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern gibt es im Saarland keine spezifische Beratungsstelle für Männer als Opfer häuslicher Gewalt oder ein Männerhaus.

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