Im Saarland fahren Autos bald von selbst

Saarbrücken/Merzig · Selbstfahrende Autos, die auch miteinander kommunizieren. Roboter in der Produktion, die in Millisekunden Informationen austauschen. Städte, die komplett vernetzt zahlreiche mobile Dienstleistungen anbieten. All das soll im Saarland schon in zwei bis fünf Jahren Realität werden. T-Systems und die Deutsche Telekom weiten die Zusammenarbeit mit dem Saarland zu einer bundesweiten Modellregion deutlich aus.

Für Ferri Abolhassan sind autonom fahrende Autos und Roboter in Fabriken, die in erheblich schnellerem Tempo als Menschen Informationen austauschen können, schon völlig normal. Er lebt als Geschäftsführer von T-Systems inmitten von rund 5000 Experten seines Unternehmens, die sich mit nichts anderem beschäftigen als den Möglichkeiten, die sich künftig aus der noch schnelleren Übertragungstechnik ergeben. Rund 600 Mitarbeiter beschäftigt T-Systems im Saarland. In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Saarbrücken laufen bereits praktische Tests der Übertragungstechnik für die neueste Mobilfunkgeneration 5G, die die Weiterleitung von Informationen aller Art in weniger als zehn Millisekunden ermöglicht. So schnell kann ein Mensch nicht einmal denken. Diese neue Hochgeschwindigkeitstechnik ist der Schlüssel zu allen Projekten, mit denen gemeinsam die Telekom, T-Systems , das DFKI und die Landesregierung das Saarland zu einer bundesweiten Modellregion zusammenschweißen wollen.

Im Saarland sollen sich autonom fahrende Autos schon bald auch den freien Parkplatz in der Stadt selbst suchen, dort automatisch hingeleitet werden, und selbst einparken. Das Bezahlen des Parkplatzes erfolgt bequem per Smartphone. Die Entwicklungen sollen nach den Worten von Ferri Abolhassan und DFKI-Chef Wolfgang Wahlster schon in zwei bis fünf Jahren so weit vorangeschritten sein, dass es einer Stadt auch möglich ist, den gesamten Verkehrsfluss automatisch zu steuern. Ampeln werden ,,intelligent" und steuern den Verkehrsfluss je nach Verkehrsaufkommen. Umgekehrt sollen autonom fahrende Autos möglichst aller deutscher Hersteller jetzt auch zeitnah so miteinander vernetzt werden, dass sie nicht nur automatisch Gefahrenmeldungen austauschen können, sondern auch wie selbstverständlich durch die intelligente automatische Steuerung näher auffahren können zum vorausfahrenden Fahrzeug. So lassen sich nach Auskunft von Abolhassan und Wahlster künftig auch Staus vermeiden. Der Verkehrsfluss wird intelligenter.

Nach Angaben von Wahlster sind inzwischen alle deutschen Autohersteller und zahlreiche Zulieferer daran interessiert, in diesen Projekten mit dem Saarland zu kooperieren. Nach Recherchen unserer Zeitung hat Merzig derzeit die größten Chancen, die erste Stadt zu werden, in der zahlreiche dieser Zukunftsprojekte umfangreich getestet werden. Tests mit autonom fahrenden Autos und intelligenten Verkehrsleitsystemen laufen dort heute schon. Der Telekom und T-Systems sind diese neuen Projekte so wichtig, dass mit Anette Bronder, die das internationale Digitalgeschäft von T-Systems als Geschäftsführerin mit verantwortet, eine wichtige Managerin in diesem Geschäftsfeld direkt im Aufsichtsrat des DFKI sitzt. Auch das soll einen weiteren Wettbewerbsvorsprung bringen. Abolhassan verweist darauf, dass T-Systems heute schon im Bereich der Informationstechnologie (IT) der größte Dienstleister für die Autoindustrie ist. Nach Angaben der "Automobilwoche" lag alleine der Umsatz von T-Systems mit Dienstleistungen für die Autoindustrie 2015 bei rund 910 Millionen Euro. Dazu gehört auch die Entwicklung sicherer Datensysteme, die Missbrauch ausschließen.

Abolhassan hält das Saarland als Modellregion für ideal. Hier könne man in einem überschaubaren Ballungszentrum ideal alle neuen Entwicklungen im Bereich autonomes Fahren, intelligentes Verkehrs- und Städtemanagement sowie Anwendungen für Unternehmen in der Produktion im Bereich Industrie 4.0 testen. Zumal das Saarland auch zahlreiche Zulieferbetriebe habe und auch im Bereich Forschung und Entwicklung viele Institutionen, die man einbeziehen könne. ,,Das wird eine tolle Sache. Wir können im Saarland gemeinsam eine Brücke schlagen von einem Autoland mit Herstellern und Zulieferern hin zur Forschung und zu modernen Anwendungen", betont Abolhassan. So könne man an der Saar eine noch größere Wertschöpfungskette bilden und im Idealfall viele Neuentwicklungen auch vom Saarland aus in die ganze Welt exportieren, ist sich der T-Systems-Geschäftsführer sicher. Das Saarland könne sich hier eine internationale Spitzenstellung verschaffen. ,,Wir haben im Bereich Forschung und Entwicklung an der Saar interessante Alleinstellungsmerkmale", sagt Abolhassan.

T-Systems arbeite zudem an zahlreichen Anwendungen per App, die Autonutzern und Besitzern mobiler Geräte weitere Vorteile bringen sollen. Auch die könne man an der Saar testen. Das ,,Internet der Dinge" mache hier vieles möglich bis hin zu einer noch schnelleren Kommunikation von Robotern, die auch bei Störfällen in der Produktion blitzschnell reagieren können. Merzigs Bürgermeister Marcus Hoffeld (CDU ) sagt, ,,es wäre es für uns enorm wichtig, wenn wir den Zuschlag für die praktischen Tests der Forschungsprojekte bekommen. Wir könnten so zeigen, dass wir innovativ sind." Jetzt schon stellt Merzig die Stadt für erste Tests zur Verfügung, was für autonomes Fahren in der Praxis benötigt wird: wie intelligente Parkraumbewirtschaftung oder auch eine flüssigere Verkehrsführung durch Kameraüberwachung funktionieren. Hoffeld sieht kein Problem, die ganze Stadt mit intelligenten technischen Lösungen zu vernetzen, wenn Datensicherheit gewährleistet ist. Die Bürger unterstützten diesen Kurs. ,,Wir stehen bereit", sagt Hoffeld.

Meinung:

Große Chance für die Region

Von SZ-Redakteur Thomas Sponticcia

Das Saarland hat sich als Autoland einen guten Namen gemacht für Qualität, hervorragende Zulieferer und eine exzellent aufgestellte Forschungslandschaft. Beste Voraussetzungen, um unter Federführung der Landesregierung jetzt den nächsten Schritt zu wagen. Wegen der Trumpfkarten und räumlichen Überschaubarkeit des Landes bestehen optimale Bedingungen, neue Projekte zu testen. Etwa Voraussetzungen für autonomes Fahren, intelligent gesteuerte Parkraumbewirtschaftung, schnelleren Verkehrsfluss durch flexible Ampeln und neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine in Betrieben. Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer und Wirtschaftsministerin Rehlinger müssen das Thema beschleunigen. Dann werden auch viele nationale und internationale Autohersteller mitwirken.

Zum Thema:

Hintergrund Die Deutsche Telekom beschäftigt an der Saar 1200 Mitarbeiter an acht Standorten, die Tochter T-Systems hat 600 Mitarbeiter in der Region. T-Systems ist der größte Dienstleister von intelligenten Anwendungen im Bereich der Informationstechnologie für die Autoindustrie. 5000 Experten beschäftigen sich ausschließlich mit solchen Produkten. T-Systems will die Zusammenarbeit mit dem Saarland deutich ausbauen. ts

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