Hochzeit als Kündigungsgrund?

Erfurt · Darf ein katholisches Krankenhaus in Düsseldorf einen Chefarzt entlassen, weil er nach seiner Scheidung erneut geheiratet hat? Seit Jahren wandert dieser Streit durch die Gerichtsinstanzen. Heute will das Bundesarbeitsgericht ein abschließendes Urteil verkünden.

Das private Glück eines Mediziners beschäftigt seit Jahren die höchsten deutschen Gerichte. Jetzt muss der Chefarzt eines katholischen Krankenhauses in Düsseldorf nach der Scheidung von seiner ersten Frau, einer zweiten Liebe und der standesamtlichen Hochzeit 2008 möglicherweise mit der endgültigen Kündigung rechnen. Sein Fall ist seit 2011 vom Bundesarbeitsgericht in Erfurt zum Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe und nun zurück zu den höchsten deutschen Arbeitsrichtern gewandert.

Der Rechtsstreit hängt mit dem Sonderstatus der Kirchen im Arbeitsrecht zusammen. Im Grundgesetz hat der Staat den Kirchen 1949 zugestanden, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln. Entstanden ist in der katholischen Kirche ein Arbeitsrecht , das strenge Anforderung auch an das Privatleben der kirchlichen Mitarbeiter stellt. Danach kann unter anderem gekündigt werden, wer sich entgegen der kirchlichen Lehre von der Unauflöslichkeit der Ehe scheiden lässt und standesamtlich erneut heiratet. So auch im konkreten Fall des Chefarztes, der nach seiner zweiten Eheschließung von seiner Klinik die Kündigung erhielt. Allerdings: Vor Gericht bekam der Mediziner zunächst Recht. Alle Instanzen bis hin zum Bundesarbeitsgericht entschieden aus unterschiedlichen Gründen, dass die Kündigung unwirksam sei. Die Erfurter Richter argumentierten beispielsweise im Jahr 2011, dass die Kirchen von ihren Beschäftigten zwar grundsätzlich ein loyales Verhalten verlangen könnten. Die Klinik habe aber bei protestantischen Kräften nach einer zweiten Heirat nicht zum Mittel der Kündigung gegriffen.

Damit wollte sich der kirchliche Arbeitgeber nicht abfinden und zog vor das Bundesverfassungsgericht . Das kassierte das Erfurter Urteil, weil es die Begründung für verfassungswidrig hielt. Karlsruhe stärkte das kirchliche Arbeitsrecht : Staatliche Gerichte dürften sich nicht in die Kompetenz des kirchlichen Gesetzgebers einmischen und definieren, wie weit die Loyalitätsforderungen der Religionsgemeinschaft gehen, so die Richter im November 2014. Arbeitsgerichte dürften dieses "kirchliche Selbstverständnis" nur eingeschränkt überprüfen. "Die kirchliche Autonomie wird vom Verfassungsgericht sehr weit ausgelegt", findet der Bremer Arbeitsrechtsprofessor Wolfgang Däubler. "Die Amtskirche kann damit definieren, was gilt."

Im konkreten Fall des Chefarztes müssten nun die Bundesarbeitsrichter beurteilen, wie das kirchliche Recht auf Selbstbestimmung mit den Grundrechten des Arbeitnehmers auf Familie und eigene Lebensgestaltung abzuwägen sei.

Ob die Kündigung Bestand hat, ist also völlig offen. Erschwerend kommt hinzu, dass der Chefarzt eine besonders strenge Loyalitätsklausel unterzeichnet hatte, die neben einer zweiten Heirat auch das bloße Zusammenleben mit einer anderen Frau ausgeschlossen hatte. Der Mediziner pocht auf Vertrauensschutz, weil er nach seiner Scheidung lange mit seiner künftigen Frau ohne Trauschein zusammengelebt und der Arbeitgeber dies gewusst und geduldet habe.

Unübersichtlich wird der Rechtsstreit auch dadurch, dass die katholische Kirche unterdessen im Jahr 2015 ihr Arbeitsrecht liberalisiert hat. Die strengen Loyalitätsanforderungen gelten nur noch für verkündigungsnahe kirchliche Berufe. Rein rechtlich darf das zwar keine Rolle spielen; maßgeblich für den Rechtsstreit bleibt das damals gültige strengere Arbeitsrecht . Psychologisch aber könnte diese Entwicklung die Richter durchaus beeinflussen.

Insgesamt sieht der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller eine schwindende Macht der Kirche bei der Regelung ihrer Arbeitsverhältnisse. "Die Möglichkeit der Kirchen, im Arbeitsrecht ihre kirchenspezifischen Ansprüche im Konfliktfall arbeitsrechtlich durchzusetzen, wird zunehmend eingeschränkt", erklärt er im Vorfeld des Urteils.

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