Interview Eugen Roth „Hartz IV ist von der Grundidee nicht falsch“

Saarbrücken · Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Saar-SPD sieht bei den Sozialleistungen großen Reformbedarf.

 Eugen Roth, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der Saar-SPD.

Eugen Roth, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der Saar-SPD.

Foto: SPD-Landtagsfraktion/Tom Gundelwein

Hartz IV abschaffen und fertig? Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Eugen Roth, ist da eher skeptisch.

Herr Roth, hat Hartz IV ausgedient?

EUGEN ROTH Die Diskussion ist überfällig, aber: Genauigkeit geht vor Schnelligkeit. Zu schnelle Lösungen landen häufig auf dem Rücken der Betroffenen. Klar ist: Die Sätze von Hartz IV sind zu niedrig, weil sie ncht sauber bemessen sind. Man hat sie systemfremd berechnet, ohne sich die einzelnen Positionen genauer anzuschauen. Außerdem ist das Lohnabstandsgebot, also das Gebot, wonach das Nettoeinkommen von Arbeitnehmern mit geringem Lohn höher sein muss als das von Arbeitslosen, beschämend. Es wird kein Schuh draus, wenn Hartz-IV-Empfänger weniger Geld bekommen. Die Löhne müssen steigen.

Also ist die Saar-SPD eher für eine weitere Reform als für alternative Systeme?

ROTH Ja, man muss reformieren. Die Alternative „bedingungsloses Grundeinkommen“ kann sozial sein, muss es aber nicht. Es besteht die Gefahr, dass man damit Menschen einfach nur aufs soziale Abstellgleis schieben will.

Und das solidarische Grundeinkommen, das Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) vorschlägt? Hilft man Langzeitarbeitslosen mit einem Vollzeit-Job gegen Mindestlohn?

ROTH Es ist überdenkenswert. Aber das wäre ein Systemwechsel. Wir müssen nicht das, was wir seit 14 Jahren haben, innerhalb von vier Wochen umkrempeln. Hartz IV, das heißt die Zusammenlegung der früheren Arbeitslosen- und Sozialhilfe, ist von der Grundidee nicht falsch. Weil es bei der Einführung schnell und unter Druck zustande kam, hat es jedoch handwerkliche Fehler.

Und die wären?

ROTH Die Fehler haben wir auf drei Ebenen: bei der Höhe, der Zumutbarkeit und der Dauer der Arbeitslosengeldbezüge. Man müsste die Deckelung der Hartz-IV-Sätze abschaffen und sie anheben. Der Fehler bei der Zumutbarkeit betrifft vor allem den Berufswechsel, um Hartz-IV-Bezüge zu vermeiden. Ist es beispielsweise für einen Akademiker zumutbar, als Reinigungskraft zu arbeiten? Außerdem endet der Bezug von Arbeitslosengeld I nach 24 Monaten, egal, ob jemand zuvor unter der Brücke gelebt oder gearbeitet hat. Beide beziehen dann Grundsicherung. Man muss sich mit kühlem Kopf anschauen, wo das System verbessert werden kann. Soziale Reformen dieser Tragweite müssen wohl überlegt sein und brauchen Zeit. Oder wie wir im Saarland sagen würden: „Wer schnell schafft, der struddelt.“

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