Britischer EU-Austritt Bleiben Flieger nach Brexit am Boden?

Brüssel · Ein harter Austritt der Briten könnte schwere Folgen haben. Beim EU-Gipfel, der heute beginnt, wird an einer Lösung gearbeitet.

 Flugzeuge des britischen Unternehmens Easyjet stehen am Berliner Flughafen Tegel. Es ist durchaus möglich, dass die Maschinen nach dem Brexit Ende März 2019 nicht mehr Richtung Großbritannien abheben dürfen. 

Flugzeuge des britischen Unternehmens Easyjet stehen am Berliner Flughafen Tegel. Es ist durchaus möglich, dass die Maschinen nach dem Brexit Ende März 2019 nicht mehr Richtung Großbritannien abheben dürfen. 

Foto: dpa/Paul Zinken

Es war eine denkwürdige Sitzung des Verkehrsausschusses im Europäischen Parlament, die im Juli 2017 stattfand. Luftfahrt-Experten kamen zusammen, um über die Konsequenzen eines Brexits ohne ordentliches Austrittsabkommen zu diskutieren. Willi Walsh, Chef des AIG-Konzerns, der mehrere europäische Airlines vereinigt, gehörte dazu und wurde deutlich: „Flugzeuge, die man 2019 braucht, werden 2018 bestellt, und wir wissen heute noch nicht, ob wir die dann mit Flügeln bekommen. Denn die werden von britischen Betrieben zugeliefert.“ Dass solche Befürchtungen nicht aus der Luft gegriffen sind, bestätigte sogar Londons Schatzkanzler Philip Hammond vor wenigen Wochen. Im schlimmsten Fall, sagte er, könne ein No-Deal-Brexit dazu führen, dass es am Tag nach dem Austritt keinen Flugverkehr mehr zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU geben werde – aber das sei „sehr theoretisch“.

Die Brexit-Verhandlungen sind zwar ein Stück weitergekommen. Doch das Risiko eines Ausscheidens der Briten aus der Union ohne Vertrag scheint gegenwärtiger denn je. Was dann passiert, hat eine Sonderarbeitsgruppe der Europäischen Kommission zusammengestellt. Es werde „Unsicherheiten geben im Hinblick auf die Gültigkeit von Lizenzen, Bescheinigungen und Genehmigungen sowie uneinheitliche Vorschriften für die Übermittlung von Daten – sofern diese von britischer Seite herausgegeben wurden“. Ohne gültige Im- und Exportpapiere würden Produkte an der Grenze zwischen Großbritannien und der EU (siehe Grafik) hin und her wandern oder schlicht liegenbleiben. Lieferketten für alle Branchen wären gekappt.

Unklar ist auch, ob die Versorgung der Insel mit Arzneimitteln weiter ungehindert laufen kann, da am Tag des harten Brexits die bisherigen Zulassungen erlöschen. Für die Pharma-Konzerne auf beiden Seiten des Kanals bedeutet dies künftig erheblichen Aufwand, weil Zulassungsverfahren doppelt durchlaufen werden müssen. Ob ein Antrag Londons, an die EU-Arzneimittelagentur EMA angebunden zu bleiben, akzeptiert wird, ist noch offen.

In einer Studie verweisen die Chefvolkswirte des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes auf vielfältige Konsequenzen für den Finanzmarkt. So haben allein die britischen Banken rund 1,3 Billionen Euro in grenzüberschreitende Finanzprodukte investiert, deren weitere Verwaltung noch ungelöst ist. Ebenso wie die Behandlung der Filialen deutscher Geldhäuser auf der Insel, die für die dort tätigen Unternehmen wichtige Partner sind. Zwar nehmen die Aufsichtsbehörden beider Seiten inzwischen Anträge für die weitere Zulassung an. Aber noch gibt es keine verlässlichen Bescheide. Es fehlen die notwendigen gesetzlichen Grundlagen.

Wer als Tourist ab dem 30. März 2019 in das Vereinigte Königreich einreisen möchte, sollte Zeit mitbringen. Bisher ist noch nicht entschieden, ob London von EU-Bürgern ein Visum fordert. Und wenn das so sein sollte, dürften Wochen und Monate vergehen, bis ein funktionierendes Visa-System installiert ist und in Betrieb geht.

Ein ranghoher EU-Diplomat sagte gestern zu diesen Szenarien: „Jedes ist so übel, dass Briten und Europäer alles für ein gutes Abkommen tun müssten.“ Der Countdown beginnt heute Abend. Dann wollen die Staats- und Regierungschefs beim Gipfel in Brüssel gegen einen Brexit ohne Deal angehen.

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