CDU-Regionalkonferenz in Düsseldorf Showdown bei der CDU in Düsseldorf

Düsseldorf · Vor 4000 CDU-Mitgliedern ringen Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz und Jens Spahn in Düsseldorf um den Parteivorsitz – ein wichtiger Stimmungstest.

Es ist der einfachste und zugleich einer der wirkungsvollsten Rhetorik-Tricks: Während seine Wettbewerber Annegret Kramp-Karrenbauer und Friedrich Merz ihre Reden wie vorgesehen am Rednerpult hielten, ließ Spahn den Holzkasten links liegen und spazierte frei redend über die Bühne.

Merz war durch Losentscheid der erste Redner und der einzige, dem die 4000 CDU-Mitglieder gestern bei der Regionalkonferenz in Düsseldorf einen stehenden Applaus gönnten. Aber Spahn bekam für seine Rede, er sprach als Letzter, in der Summe den meisten Applaus. Zunächst verhalten, dann öfter und lauter und zuletzt – nein, wirklich stürmisch war der Applaus für Spahn auch zuletzt nicht. Aber doch kräftiger, als jüngste Umfragen hätten vermuten lassen. Für CDU-Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer (56), Ex-Unionsfraktionschef Merz (63) und Gesundheitsminister Spahn (38) war es der bislang wichtigste Tag im Rennen um den CDU-Parteivorsitz: Auf acht Regionalkonferenzen präsentieren die drei Kandidaten sich derzeit quer durch die Republik. In die Düsseldorfer Messehallen kamen gestern nicht nur erheblich mehr Gäste als zu den anderen Regionalkonferenzen. Düsseldorf war auch der bislang wichtigste Stimmungstest: NRW stellt mit 296 die meisten der 1001 Delegierten, die kommende Woche in Hamburg über die Parteivorsitz-Nachfolge von Angela Merkel abstimmen.

Spannendste Frage des Abends: Können der Sauerländer Merz und der Westfale Spahn in Düsseldorf ihren NRW-Heimvorteil nutzen? Kaum. Kramp-Karrenbauer und Merz bemühten sich in ihren je rund zehnmütigen Eingangsstatements vor allem, nicht anzuecken. Beide beschworen die Bestimmung der CDU als große Volkspartei hervor und beklagten die innerparteilichen Streitigkeiten der vergangenen Monate als wesentliche Ursachen für die aktuell schlechten Wahl- und Umfrageergebnisse, die nicht zu diesem Anspruch passen. Kritik an den Grünen, Lob für die vernachlässigte Bundeswehr, ein hohes Lied auf Europa, die Bedeutung der Inneren Sicherheit und die christlichen Grundwerte der Partei: Was man eben so sagt, wenn man vor 4000 CDU-Mitgliedern spricht.

Spahn war einen Hauch pointierter. Mit der Forderung nach strengeren Kontrollen an den EU-Außengrenzen („nicht die Schlepper und Schleuser dürfen darüber bestimmen, wer bei uns leben darf“) riskierte er zumindest auch mal Widerspruch – der allerdings nicht kam. Und er formulierte immerhin eine konkrete europapolitische Vision: „Lassen Sie uns ein europäisches Standford gründen“, rief Spahn in den Saal, eine international getragene Elite-Universität als Magneten für die besten Talente der Welt. In der anschließenden Fragerunde punktete Kramp-Karrenbauer immer wieder mit ihrer Erfahrung. Geschickt flocht sie ein, dass sie schon schwierige Wahlen gewonnen habe. Und zwar im Gegensatz zu ihren Wettbewerbern Spahn und Merz – aber das sagte sie nicht. Merz lief bei einer Publikumsfrage zur Zukunft der Arbeit zur Höchstform auf. „Wir stehen vor einem der größten Umbrüche unserer Industrie, die wir jemals erlebt haben“, sprach der international erfahrene Multi-Aufsichtsrat mit Nachdruck ins Mikrofon. Große Teile der deutschen Bevölkerung würden derzeit in Berufen arbeiten, die es in zehn Jahren nicht mehr gebe. Merz: „Gibt es dafür genug Ersatzarbeitsplätze?“ Mehr denn je sei Deutschland darauf angewiesen, an der Spitze der technologischen Entwicklung zu stehen – und schon war Merz dem, was die Saalgäste von ihm am liebsten hören wollten: seinem klaren Bekenntnis zu Wettbewerb und Leistungsgerechtigkeit.

Laut einer aktuellen Umfrage wünschen sich 40 Prozent der CDU-Anhänger Annegret Kramp-Karrenbauer als neue Parteichefin, 36 Prozent Friedrich Merz und nur zehn Prozent Jens Spahn. Der Abend in Düsseldorf hat dieses Kräfteverhältnis nicht erkennbar geändert. Nach der dreistündigen Veranstaltung ist das Bild unklarer als vorher. Viele CDU-Mitglieder können sich immer noch nicht entscheiden.

Dabei sind Helene und Albert Grabowski extra mit dem Bus aus Dormagen angereist, um sich Klarheit zu verschaffen. „Annegret Kramp-Karrenbauer oder der Merz“, war der 75-Jährige sich zu Beginn der Veranstaltung noch sicher. Den Spahn mag er nicht, weil er dem mal eine Mail geschickt hat, die unbeantwortet blieb. Nach der Veranstaltung ist die Ratlosigkeit der beiden, die schon seit Jahrzehnten Parteimitglieder sind, eher noch größer. „Man hört ja immer nur, was die versprechen. Wir wissen ja nicht, was sie dann tatsächlich tun“, sagt Helene Grabowski. Ihr Mann nickt.

Zu den vielen, die sich auch nach dem Abend nicht entschieden haben, gehört Charlotte Quik. Die 36-jährige Mutter sitzt seit Mai 2017 für die CDU im Landtag und ist eine der 296 Delegierten, die ihre Partei in der kommenden Woche zur Bundesvorsitzenden-Wahl nach Hamburg schickt. Vor der Düsseldorfer Regionalkonferenz hatte sie eine leichte Präferenz für Jens Spahn. Und danach? „Ich finde Spahn weiterhin gut. Aber vielleicht wäre es besser für die Partei, wenn jetzt erst mal jemand mit mehr Erfahrung übernimmt.“ Aber wen wird sie denn nun wählen, nächste Woche beim Bundesparteitag in Hamburg? Quik holt Luft, setzt an, atmet aus – und sagt nichts. Dann schiebt sie ein „ich weiß noch nicht“ hinterher.

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