"Griechenland braucht massiven Schuldenschnitt"

Herr Bofinger, die Euro-Finanzminister haben eine Entscheidung für weitere Griechenland-Hilfen vertagt. Wie bewerten Sie das?Bofinger: Ich denke, es führt nichts daran vorbei, dass Griechenland noch einen massiven Schuldenschnitt braucht

Herr Bofinger, die Euro-Finanzminister haben eine Entscheidung für weitere Griechenland-Hilfen vertagt. Wie bewerten Sie das?Bofinger: Ich denke, es führt nichts daran vorbei, dass Griechenland noch einen massiven Schuldenschnitt braucht. Da hilft auch nicht die Erkenntnis, dass sich das Land durch unverantwortliches Finanzgebaren selbst in seine massive Überschuldung manövriert hat.

Aber Griechenland hat bereits einen Schuldenschnitt hinter sich. Doch genützt hat er kaum.

Bofinger: Der Schuldenschnitt vom Frühjahr war viel zu gering, um Griechenland deutlich zu entlasten. Damals haben sich die öffentlichen Kreditgeber nicht daran beteiligt. Aber der größte Teil der griechischen Schulden liegt jetzt nun mal bei der öffentlichen Hand.

Damit ist auch der deutsche Staat gemeint. Bislang ging es nur um Bürgschaften. Müssen die Steuerzahler jetzt richtig bluten?

Bofinger: Wenn man einen Schuldenschnitt von, sagen wir 50 Prozent vornimmt, dann kostet das auch den deutschen Steuerzahler echtes Geld. Im konkreten Fall wären das etwa 17,5 Milliarden Euro. Allerdings darf man dabei nicht außer Acht lassen, dass der deutsche Steuerzahler durch die Krise auch massiv Geld gespart hat.

Was meinen Sie damit?

Bofinger: Die Zinsen für die öffentlichen Schulden sind krisenbedingt so niedrig wie noch nie, sodass Deutschland dadurch jährlich einen zweistelligen Milliardenbetrag spart. Das entspricht etwa dem Betrag, der einmalig für Griechenland zu zahlen wäre.

Nun ist für Griechenland nicht nur ein Schuldenschnitt, sondern ein weiteres Hilfspakt in der Diskussion. Halten Sie das auch für notwendig?

Bofinger: Fest steht, dass die Prognosen des IWF für eine Gesundung der griechischen Staatsfinanzen seit Jahren viel zu optimistisch waren. Dadurch tun sich auch neue Finanzlöcher auf, die gestopft werden müssen. Griechenland braucht deshalb mehr Zeit, um seine Sparziele zu erreichen. Insofern ist ein weiteres Hilfspaket unvermeidlich.

Frankreich hat gerade sein Top-Rating bei der Bonität verloren. Wer soll den Euro eigentlich noch retten, wenn es immer weniger potente Retter gibt?

Bofinger: Würden die europäischen Länder wirklich zusammenstehen, dann hätten sie auch kein Problem, den Euro zu retten. Nehmen Sie die USA: Deren Staatsdefizit ist dreimal so hoch wie im Euro-Raum, aber die USA treten als Einheit auf, und die Märkte honorieren das. Das Grundproblem ist, dass 17 Euro-Länder die Krise unterschiedlich bewältigen wollen, anstatt sich auf gemeinsame Lösungen zu verständigen.Foto: Breloer/dpa

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