SPD Nahles will das Schröder-Erbe abstreifen

Berlin · Geht es nach der SPD-Chefin, soll Hartz IV bald vom sogenannten Bürgergeld abgelöst werden. Das Konzept dafür stellte Nahles jetzt vor.

 SPD-Chefin Andrea Nahles will zurück zu den SPD-Wurzeln – nicht ganz, aber wenigstens ein Stück weit: Deshalb soll Hartz IV, ein umstrittenes Erbe aus der Schröder-Ära, zwar nicht völlig gekippt, aber deutlich abgewandelt werden. Dafür hat sie jetzt ein Konzept entwickelt.

SPD-Chefin Andrea Nahles will zurück zu den SPD-Wurzeln – nicht ganz, aber wenigstens ein Stück weit: Deshalb soll Hartz IV, ein umstrittenes Erbe aus der Schröder-Ära, zwar nicht völlig gekippt, aber deutlich abgewandelt werden. Dafür hat sie jetzt ein Konzept entwickelt.

Foto: dpa/Swen Pförtner

Seit langem wird in der SPD darüber debattiert, wie man das ungeliebte Hartz-IV-Erbe aus der Schröder-Ära abschütteln könnte. Nun hat Parteichefin Andrea Nahles erste Details ihres Konzepts vorgestellt, das die SPD-Spitze am kommenden Sonntag und Montag beschließen soll. Auch ein neuer Name ist gefunden: Aus Hartz IV wird bei Nahles jetzt das „Bürgergeld“.

„Wir wollen, dass der Sozialstaat wieder als Partner der Menschen auftritt, nicht als Kontrolleur oder Bevormunder“, erklärte Nahles gestern in einem Interview. Eine radikale Abkehr von der auch als Arbeitslosengeld II bezeichneten Grundsicherung sieht ihr Konzept aber nicht vor. So hatte sich etwa Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) für ein „solidarisches Grundeinkommen“ stark gemacht, das die Abschaffung aller Sanktionen bei Verstößen gegen Auflagen der Jobcenter vorsah. Dagegen argumentierte Nahles: „Bei harten Brocken“ müssten die Jobcenter „die Möglichkeit haben, die Zügel anzuziehen“. Und das ist im Einzelnen geplant:

Sanktionen: Die verschärften Strafen für Langzeitarbeitslose im Alter bis zu 25 Jahren sollen entfallen. Auch eine Streichung der Mietkosten soll es nicht mehr geben. „Sanktionen, die Obdachlosigkeit zur Folge haben, werden wir abschaffen“, betonte Nahles. Nach geltendem Recht kann Jüngeren der Regelsatz schon bei der ersten Ablehnung eines zumutbaren Jobs für bis zu drei Monate gestrichen werden, nach der zweiten Pflichtverletzung sogar die kompletten Miet- und Heizkosten.

Regelsatz: Am Regelsatz (für Alleinstehende 424 Euro plus Wohnkosten) will Nahles nicht rütteln. Auch die Bedürftigkeitsprüfung bleibt bestehen. Wer aus dem beitragsfinanzierten Arbeitslosengeld I ins steuerfinanzierte ALG II fällt, soll aber für eine „Übergangsphase“ von zwei Jahren von der Überprüfung seiner Vermögenslage und Wohnungsgröße verschont bleiben.

Arbeitslosengeld I: Das ALG I will die SPD um bis zu neun Monate verlängern. Wer heute 58 Jahre und älter ist, kann diese Versicherungsleistung derzeit 24 Monate lang beziehen. Zwischen 50 und 54 sind es nur 15 Monate. Künftig soll gelten: Je mehr Beitragsjahre, desto länger wird das Arbeitslosengeld gewährt. Und zwar für einen Zeitraum von bis zu 33 Monaten. Außerdem will die SPD ihr „Arbeitslosengeld Q“ aus dem letzten Bundestagswahlkampf verwirklichen. Es wird im Falle einer Weiterbildung gewährt. Dadurch kann sich der Bezug von ALG I sogar auf bis zu 36 Monate verlängern.

Bei der Union stieß das Vorhaben auf Ablehnung: „Für eine Verlängerung des Arbeitslosengeldes I sehe ich angesichts der Rekordbeschäftigung überhaupt keinen Anlass“, sagte der CDU-Sozialexperte Peter Weiß unserer Zeitung. Und was die Sanktionen angehe, so könne er nur empfehlen, ein dazu noch ausstehendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts abzuwarten. „Grundsätzlich sehen wir aber keine Notwendigkeit, von härteren Sanktionen gegen Jugendliche abzurücken“. In solchen Fällen solle künftig jedoch automatisch das Jugendamt informiert werden, „um zu verhindern, dass Jugendliche dann nicht einfach untertauchen“, erklärte Weiß. Vorbehalte gegen ein verlängertes ALG I hat auch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Untersuchungen hätten gezeigt, dass diese Maßnahme „tendenziell auch die Arbeitslosigkeit verlängert“, sagte IAB-Bereichsleiter Enzo Weber unserer Zeitung. „Wenn man das macht, dann muss die Zeit auch intensiv für Vermittlung und Qualifizierung genutzt werden. Andernfalls ist das Risiko, dass sich Arbeitslosigkeit verfestigt.“ Als sinnvoll bezeichnete Weber den Ansatz, jüngere Arbeitslose nicht härter zu sanktionieren als Ältere.

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