Gefallener Engel

München · Skandal beim ADAC: Der Autoclub muss Manipulationen beim Preis „Gelber Engel“ einräumen. Vor wenigen Tagen hatte der Verein noch von Unterstellungen gesprochen – und die Kritiker sogar verspottet.

Die Pannenhelfer des ADAC stehen bei den Autofahrern hoch im Kurs. Doch nun muss der Club selbst eine schwere Panne melden. Beim Autopreis "Gelber Engel", benannt nach den Helfern auf der Straße, wurde mit frisierten Zahlen gearbeitet. Michael Ramstetter (60), ADAC-Kommunikationschef und Chefredakteur der Mitgliederzeitschrift "Motorwelt", übernimmt - so eine Mitteilung des Autoclubs - "die alleinige persönliche Verantwortung" und hat alle Funktionen beim ADAC niedergelegt. Dem größten Verein Deutschlands - mit rund 19 Millionen Mitgliedern, 18 Regionalclubs und bundesweit 178 Geschäftsstellen - droht nun eine Vertrauenskrise.

Das Wort des ADAC gilt viel. Seine Auto-Kritiken und Crashtests sind viel beachtet. Der Club testet Reifen, Kältemittel, Kindersitze und vieles mehr. Bei der Untersuchung von Tunnels, Fähren und Autobahn-Raststätten deckt er zum Teil gravierende Mängel auf und will damit Verbesserungen vorantreiben. Der ADAC sieht sich als Fürsprecher der Verbraucher und tritt dabei mit großem Selbstbewusstsein auf. Kritik etwa am "Club der Raser", der ein generelles Tempolimit auf den Autobahnen stets abgelehnt hat, ließ der gelbe Riese in München mit Mitgliedsbeiträgen von mehr als einer Milliarde Euro im Jahr stets an sich abperlen.

Doch nun hat das Image des objektiven Verbraucheranwalts einen gewaltigen Kratzer bekommen. Beim Autopreis "Gelber Engel" musste der Autoclub ausgerechnet in der Kategorie Lieblingsauto der Deutschen, zu dem der VW Golf gewählt wurde, künstlich hochgeputschte Zahlen einräumen. Zuerst hatte die "Süddeutsche Zeitung" darüber berichtet. Doch die ADAC-Führung zeigte sich zunächst unerschüttert. Bei der Feier zur Auszeichnung des VW Golf am vergangenen Donnerstag hatte ADAC-Geschäftsführer Karl Obermair noch von "Unterstellungen und Unwahrheiten" gesprochen. Er hatte gespottet, immerhin seien die vier Buchstaben ADAC richtig abgedruckt worden. Gestern nun bemühte man sich um Schadensbegrenzung. Bei der Wahl sei nur die Zahl der abgegebenen Stimmen geschönt worden, aber nicht die Rangfolge der Ergebnisse.

Ob der ADAC, der sich mit seiner neuen Zentrale in München für mehr als 300 Millionen Euro ein architektonisches Denkmal gesetzt hat, allein mit dem Weggang von Ramstetter schnell wieder in ruhiges Fahrwasser kommt? Wie glaubwürdig sind nun die anderen Tests? "Auch die Pannen- und Tunnelstatistik müsste man jetzt untersuchen", sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen. Wenn beim "Gelben Engel" gelogen worden sei, könne man das auch für die anderen Bereiche nicht ausschließen. Der Experte sieht grundsätzliche Mängel im System des ADAC, der mit seinen rund 8600 Mitarbeitern und mehreren kommerziellen Tochtergesellschaften ein Wirtschaftskonzern ist.

Der Sportwagenhersteller Porsche verteidigte den ADAC - die Umfragen und Untersuchungen des Automobilclubs seien grundsätzlich als objektiv einzuschätzen, sagte ein Sprecher des Unternehmens. Ansonsten werde man der vom ADAC angekündigten "lückenlosen Aufklärung der Vorwürfe" nicht vorgreifen. In der ADAC-Pressestelle heißt es, Glaubwürdigkeit sei das höchste Gut und dafür werde man alles tun. Deshalb sollen auch die Preisvergaben der vergangenen Jahre unter die Lupe genommen werden. Trotzdem sorgte für Erstaunen, dass der ADAC nur mit einer schriftlichen Mitteilung die Manipulation einräumte und Ramstetters Abgang bekannt gab. Keine Pressekonferenz, kein ADAC-Präsident Peter Meyer, der sich Fragen stellen würde. Aber vielleicht kommt das noch - nach der "lückenlosen internen Prüfung".

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RückschauDer ADAC hat die Manipulationsvorwürfe im Zusammenhang mit der Wahl des Lieblingsautos der Deutschen zunächst scharf zurückgewiesen. Dann kam die Kehrtwende. Eine Chronologie der Ereignisse:13. Januar 2014: Der VW Golf ist nach einer ADAC-Umfrage das Lieblingsauto der Deutschen. Die Leser der "ADAC Motorwelt" wählten den Kompaktwagen zu ihrem Favoriten. Der Golf habe sich in der Abstimmung mit großem Vorsprung gegen andere Autos durchgesetzt. 14. Januar: Die "Süddeutsche Zeitung" berichtet über Manipulationen bei der Wahl: Demnach soll es nur 3409 Stimmen für das Siegerauto gegeben haben. Ein ADAC-Papier vom Dezember 2013 habe dagegen als Ergebnis für den Gewinner des "Gelben Engels" 34 299 Stimmen genannt. Der Autoclub weist den Vorwurf zurück, will aber keine Zahlen nennen.16. Januar: Bei der offiziellen Feier zur Auszeichnung des VW Golf mit dem "Gelben Engel" in München spricht der Vorsitzende der ADAC-Geschäftsführung, Karl Obermair, von "Unterstellungen und Unwahrheiten". Nichts sei älter als die Tageszeitung von gestern. Wie viele Leser sich an der Abstimmung beteiligt hatten, teilt der Verein weiter nicht mit.18. Januar: Der ADAC will künftig die Auswertung der Umfrage für den "Gelber Engel" extern vergeben. Das kündigte Kommunikationschef und "Motorwelt"-Chefredakteur Michael Ramstetter an. Zur Frage, wie viele Teilnehmer bei den Abstimmungen mitmachen, wolle der ADAC aber auch in Zukunft keine konkreten Zahlen nennen.19. Januar: Der ADAC räumt nun die Manipulationen ein. Die Zahl der abgegebenen Stimmen sei in der Preiskategorie Lieblingsauto der Deutschen "geschönt" worden, teilt der Automobil-Club mit. Ramstetter habe eingeräumt, die Zahl der Stimmen bei diesem Preis manipuliert zu haben. Er übernehme dafür "die alleinige persönliche Verantwortung" und habe alle Funktionen beim ADAC niedergelegt. dpa

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